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Daniel Aschwanden I

EIN BRIEF ZUM ABSCHIED

Von Barbara Kraus und Christian Polster

Wien 11.07.2021

Für Dich, lieber Daniel,


jetzt darf ich es sagen, es Dir mitgeben als Wegzehrung für Deine Reise, aber Du weißt es ohnehin: Du bist, Du warst und Du wirst für immer in meinem Herzen sein. Durch alle Zeiten und Räume, diesseits und jenseits des Flusses, in den wir geworfen sind und den wir Leben nennen.


Alle Dinge sind im Herzen. In der Geborgenheit Deines Herzens war Raum für so Viele, für so Vieles. Ein großes, warmes, tiefes Herz. Und ein scheuer, zarter und höflicher Daniel, der sich so sehr danach sehnte, erkannt zu werden und ganz aus dem Herzen der Dinge und aus der Geborgenheit des Herzens leben und sein zu können. Es war die Unmittelbarkeit und das Verborgene, dem Du auf der Spur warst. Und der Tanz am Rand des Abgrundes, mit der Andeutung eines Lächelns auf Deinen Lippen.


Verzeih, ich habe mich verirrt. Im Traum trägst Du mich wie ein Kind. Ich fühle mich wirklich gesehen, gehalten und unterstützt. Ganz sicher und geborgen. Und wache mit einem Gefühl von Zuversicht, Vertrauen und Weite auf, in dem Wissen, dass da jemand ist, der mich trägt.


Du hast nicht nur mich getragen, viele Deiner Weggefährt*innen von nah und fern schreiben, als sie von Deinem Tod erfahren, dass Du ihnen ein Stück Weg geebnet hast, für sie da warst. Das konntest Du gut: das potentiell Mögliche in Menschen, Dingen und Situationen sehen, es hochhalten und ihm Raum zur Entfaltung geben.


Wer will kann gehen. Das war am 22. 02. 2020 im Tanzquartier. Du hast mir zu meinem dreißigjährigen künstlerischen Jubiläum einen wunderschönen Brief geschrieben. So viel Anerkennung und Wohlwollen konntest Du geben. Wusstest Du damals bereits, dass du gehen wirst? Du wolltest bis zum Schluss leben, nichts als leben, nicht wahr? Hattest noch im Spital die Idee, für ein old men ballet mit Infusionsständern und Kathetersäcken in der Hand. Das bist Du. Dein Humor. Das Verschmitzte. Dein Lachen. Niemals über Andere. Jemand, der sich mit und für Andere freuen kann. Ein Narr, dem der Schalk aus den Augen blitzt. Bis zum Ende, Dein Leben für die Kunst.


Deine Hände waren warm und groß. Du warst ein großzügig Gebender, ein unermüdlich Reisender, ein Suchender, ein Magier, ein Visionär, ein Kämpfer. Widerständig. Eigensinnig. Trotzig. Zornig. Aber Deine Kämpfe führtest Du mit der feinen Klinge Deiner Menschlichkeit und im Dienst der Sache. Für die Freiheit und Würde der Kunst, unserer Kunst, Deiner Kunst, allen widrigen Bedingungen zum Trotz und immer zum Wohle aller.


Du warst ein großer Mensch. Verlässlich. Beharrlich. Unerschütterlich. Und Du wolltest, musstest gestalten. Am liebsten und am besten gemeinsam mit anderen und bliebst dabei doch immer in einer gewissen Zurückhaltung, Distanz. Es war schwierig für Dich, Deinen Schmerz und Deine Verletzlichkeit mit anderen Menschen zu teilen und um Hilfe zu bitten, sie an Dich heranzulassen, weil Du es – aufgewachsen in einer großen Familie mit vielen Geschwistern – gewohnt warst, die Dinge mit Dir selbst auszumachen, vielleicht weil Gefühle auszudrücken und zu teilen, wohl eher Mangelware war, wie in so vielen Familien unserer Kindheit.


Wenn es jemand gelang, die sieben Tore, die zu Deinem Herzen führten, zu durchschreiten, dann fand man dort eine kaum vermutete Weichheit, eine strahlende Zärtlichkeit und ein zutiefst freundliches und großzügiges Wesen.


Du konntest wunderbar Trost spenden. Im Frühling als mich eine wiederkehrende Verzweiflung, ob einer weiteren Gestaltung meines (künstlerischen) Lebens überfiel – Du kanntest diese dunkle Seite unseres künstlerischen Weges aus eigener, leidvoller Erfahrung nur allzu gut – fragte ich Dich um Rat. Du führtest mich aus dem Sonnwendviertel zum Laaer Wald, hinaus auf ein offenes Feld mit weitem Himmel (mitten in der Stadt wird dort gemeinschaftlich Gemüse angebaut) und wir saßen auf einer Holzplattform in der Sonne und Du hörtest zu – aufmerksam, empathisch und zurückhaltend mit Ratschlägen, aber Dein Résumé klang zuversichtlich und in mir war es durch Deine Zuwendung wieder heller geworden.

 

Ach, Daniel. Mit Dir hat schon wieder eine dieser Lichtgestalten diese schöne Erde, die Du so geliebt hast, verlassen. Wer wird Deine Frau, Deinen Sohn, Deinen Vater, Deine Geschwister, Deine Freund*innen und Kolleg*innen trösten?

 

Wer wird uns tragen, halten und uns Zuversicht schenken, in dieser Zeit des Verlustes? Wie können wir weiterleben, weitertanzen, weitergehen?


Wie können wir überstehen? Nicht im Bedauern über die Vergangenheit, nicht in der Furcht vor der Zukunft, sondern durch Vertrauen im Jetzt. Und in diesem Jetzt ist uns die Begegnung mit unserem großen und ewigen Du geschenkt.


Diesem großen, ewigen Du, von dem hier David Steindl-Rast spricht, bist Du jetzt vielleicht ganz nah – Du warst ja zeitlebens auf der Suche nach dem Du und dem Vertrauen in der Begegnung. Und gemeinsam mit unserem Freund Friedrich verspreche ich Dir: Bis ich zum Tanz geworden nicht eher hör ich auf. Denn im Grunde, wolltest auch Du, nichts anderes, als tanzen. Dein Leben tanzen und selbst zum Tanz werden.


Dort, jenseits der Schwelle, zwischen Leben und Tod, winkst Du uns – mit all Deiner Wärme und Liebe – mit einem freundlichen Lächeln zu und wir hören Dich – im Chor mit Elisabeth Kübler-Ross – rufen, uns zurufen:


Genießt mehr das Leben, tanzt mehr, esst Schweizer Schokolade und arbeitet nicht nur. In der Schweiz wurde ich nach dem Grundsatz erzogen: arbeiten, arbeiten, arbeiten. Du bist nur ein wertvoller Mensch, wenn du viel arbeitest. Dies ist grundfalsch. Halb arbeiten, halb tanzen: Das ist die richtige Mischung! Ich selbst habe zu wenig getanzt und zu wenig gespielt.


Wir werden also für Dich tanzen und spielen und an Dich denken. Füreinander und miteinander da sein und uns freuen. Darüber freuen, am Leben zu sein und Dir begegnet zu sein. Danke Daniel, danke für alles, was Du uns allen warst und bist! Wir machen jetzt das Allerbeste aus unserem Leben, denn es ist kurz, flüchtig, fragil und unendlich kostbar. Danke!
Deine Barbara, die Dir – wie so viele in dieser Szene – die ersten, wesentlichen Schritte auf ihrem künstlerischen Weg verdankt.


P.S. Das letzte Wort an dieser Stelle, soll allerdings Christian Polster haben, der Dich leider nicht mehr besuchen konnte...

 

LIEBER DANI
ALLES GUTE KOMMT WIEDER

SEHE UND FREIHEIT HIMMEL

MEIN HERZ STILLE

TRAUM TANZT EINE HASE

KUSS MMHH GUT SEHE FRAUEN

DAS IST EIN SOMMERWIND

 

VON CHRISTIAN

 

 

(15. 7. 2021; die dem Text eigenen Schreibweisen wurden original belassen)