Corpus Suche:

Rakete 10-01

TO WHOM IT MAY CONCERN. EIN NYMPHISCHER COUNTDOWN

Von Jack Hauser und David Ender
10. Am 21. April 1923 hielt Warburg einen Vortrag über das Schlangenritual der Pueblo-Indianer in der Bellevue-Klinik des Sanatoriums Kreuzlingen, wo er sich seit 1921 befunden hatte, da er eine Phase melancholischer Depression durchlief, die ihn Ende des Ersten Weltkrieges von seinen Studien fortgerissen hatte. Er praktiziert einen Kult mit den Motten und Schmetterlingen, die nachts in sein Zimmer fliegen. Stundenlang spricht er mit ihnen. Er nennt sie seine kleinen Seelentierchen und erzählt ihnen von seinen Leiden. warmoth 10. On April 21, 1923, Warburg delivered a lecture on the Pueblo Indians' serpent ritual at the Bellevue clinic in the Kreuzlingen sanatorium, where he had been since 1921, going through a period of melancholic depression that had torn him away from his studies at the end of the First World War. He practices a cult with the moths and butterflies that fly into the room at night. He speaks to them for hours. He calls them his little soul animals (Seelentierchen) and tells them about his suffering.
09. He recounts the outbreak of his illness to a moth: "On November 18, 1918, I became very afraid for my family. So I took out a pistol and wanted to kill myself and my family… Perhaps the butterflies to whom Warburg confided his distress represented a new manifestation of the nymph, which, in 1918, continued to haunt him. mothman 09. Er beschreibt einer Motte den Ausbruch seiner Krankheit: „Am 18. November 1918 bekam ich große Angst um meine Familie. Also holte ich eine Pistole hervor und wollte mich und meine Familie töten …“ Vielleicht stellten die Schmetterlinge, denen Warburg sich anvertraute, eine erneute Manifestation der Nymphe dar, die ihn 1918 ständig verfolgte.
08. Aby Warburg schilderte die Nymphe als schönen Schmetterling, der ihm entwischte: „Der schönste Schmetterling, den ich je fixiert habe, bricht plötzlich durch das Glas und tanzt spöttisch in die blaue Luft hinauf … Jetzt sollte ich ihn wieder einfangen, aber für diese Art der Fortbewegung bin ich nicht ausgerüstet. Oder, um genau zu sein, ich würde es gerne tun, aber meine intellektuelle Ausbildung lässt es nicht zu … Ich würde gerne, wenn unser leichtfüßiges Mädchen herankommt, freudig mit ihr davonwirbeln. Aber solche Höhenflüge sind nichts für mich.“ moth 08. Aby Warburg evoked the nymph as a beautiful butterfly escaping him: The most beautiful butterfly I have ever pinned down suddenly bursts through the glass and dances mockingly upwards into the blue air… Now I should catch it again, but I am not equipped for this kind of locomotion. Or to be exact, I should like to, but my intellectual training does not permit me to do so… I should like, at the approach of our lightfooted girl, joyfully to whirl away with her. But such soaring movements are not for me.
07. Is bare life your apocalyptic political dimension?
Belief for a woman is giving birth and protecting life, whether it is to those of children or ideas or ideals. Apocalypse is only a male fantasy (see Theweleit and the Holocaust).
If bare life deals with that part of our existence from which no measure of security will ever protect us, how do you feel in your real life with regard to your participation/non-participation in D12?
Bare life is independant from participation in art exhibitions.
Tortured, lyrical or even ecstatic?
Indifferent.
Is the concentration camp a useful paradigm for you?
No,being in love is a useful paradigm for me as an artist since it contradicts any form of state or economy imposed orders. To specify : being in love as an emotional paradigm-it neither needs to be sexual nor between members of groups of the same sexual interests. One can also be in love with an idea- unless it is that of a concentration camp.
When waiting.
Did you ever read Agamben in a state of exception? Crying or laughing?
One book by Agamben is in my upcoming movie where the main star of the film gets hit by a set of books, one of which is by Agamben. The star is neither crying or laughing then but unconscious.
rosapapierh21 07. Ist das nackte Leben deine apokalyptische politische Dimension?
Für eine Frau heißt Glaube gebären und Leben beschützen, gleich ob es sich dabei um Kinder oder Ideen oder Ideale handelt. Die Apokalypse ist eine rein männliche Phantasie (siehe Theweleit und Holocaust).
Wenn das nackte Leben jenen Teil unserer Existenz betrifft, vor dem uns keine Sicherheits-
maßnahme je beschützen wird, was empfindest du dann in Bezug auf deine Teilnahme/Nichtteilnahme bei D12?
Das nackte Leben besteht unabhängig von der Teilnahme an Kunstausstellungen. Gequält, lyrisch oder sogar ekstatisch? Gleichgültig.
Ist das Konzentrations- lager für dich ein nützliches Paradigma? Nein, für mich als Künstler ist Verliebtsein ein nützliches Paradigma, da es jeder Form von staatlich oder wirtschaftlich auferlegten Regeln widerspricht. Genauer: Verliebtsein als emotionales Paradigma – es muss weder sexuell sein noch zwischen Mitgliedern von Gruppen mit den gleichen sexuellen Interessen. Man kann auch in eine Idee verliebt sein – falls es nicht die eines Konzentrationslager ist. Wie kann das nackte Leben von einem Publikum erfahren werden?
Beim Warten.
Hast du jemals in einem Ausnahmezustand Agamben gelesen? Weinend oder lachend? Ein Buch Agambens kommt in meinem nächsten Film vor, in dem der Hauptstar von einem Stapel Bücher getroffen wird – eines davon von Agamben. Der Star weint dann weder, noch lacht er, sondern er ist bewusstlos.
06. Für mich ist das Leben derzeit so verrückt, dass ich nicht einmal anfangen kann, über die Frage der Choreographie nachzudenken. Der vorherrschende Überlebensmodus scheint hier reines reaktives Antwortverhalten zu sein. Dies ist eine Kultur der schnellen Dates, einchecken, auschecken, Schecks zahlen. Sobald du mehr als vier Schritte vorauschoreographieren willst und dich mit einem bestimmten Ziel oder einem vorgefassten Plan bewegen willst, läufst du gegen Wände. Ich habe aufgehört, hier etwas zu wollen. maitrefou 06. Life is so crazy for me now that I cannot even start thinking about the question of choreography. Here the prevalent survival mode seems to be sheer reactive response-behavior. This is a culture of speed-dating, of checking out, checking in, paying checks. As soon as you want to choreograph more than four steps ahead and want to move with a deliberate purpose or premeditated plan, you run into walls. I stopped wanting here something.
05. It was for a long time believed that if dance could take on the model of music and extend itself in a ‘written object’ it would be able to survive its short lifespan too and build a more solid foundation for its history. Maybe the performances themselves would still perish, but on the basis of the ‘cryptic’ symbols of notation dance pieces would nevertheless be able to get reanimated in a perpetual series of resurrection. From the 17th century onwards quite advanced systems, like those of Beaumarchais and Fueillet and later in the twentieth century Rudolf von Laban, were circulating and had a more or less committed following, but in retrospect one now can see that none of the systems could establish a lasting foothold. bluemoth 05. Lange Zeit glaubte man, dass, wenn der Tanz das musikalische Modell übernehmen und sich selbst in einem „geschriebenen Objekt“ erweitern könnte, er gleichfalls fähig wäre, seine kurze Lebensspanne zu überdauern und eine solidere Grundlage für seine Geschichte zu schaffen. Die Performances selbst würden vielleicht immer noch vergehen, aber mit Hilfe der ‚kryptischen’ Notationssymbole könnten Tanzstücke trotzdem in einer ewigen Folge von Auferstehungen wiederbelebt werden. Ab dem 17. Jahrhundert waren ziemlich fortgeschrittene Systeme wie die von Beaumarchais und Fueillet – und später im 20. Jahrhundert Rudolf von Labans – im Umlauf und hatten ein mehr oder weniger eingeschworenes Gefolge, aber rückblickend kann man nun sagen, dass keines dieser Systeme dauerhaft Fuß fassen konnte.
04. Wenn man sich die Mühe macht, einen Überblick über die Notationsbestrebungen von Choreographen und Tanzschaffenden in den letzten Jahrhunderten zu gewinnen, sieht man eher eine Art ‚babélisation’ idiosynkratischer Schriften, mehr als eine einzige und weithin angewandte, umfassende Sprache. Für manche hat sich der Traum daher als eine Illusion herausgestellt; er endete im Versagen, in einer Niederlage. Unfähig, die Knochen beizubringen, musste der Tanz draußen, an der Schwelle des Archivs, verbleiben. cameramoth 04. If one cares to overview the notational endeavors of choreographers and dance makers in the last centuries, one sees more a sort of ‘babélisation’ of idiosyncratic scriptures, more than one commonly and widely applied, overarching language. To some the dream has therefore proven to be an illusion; it ended in failure, a defeat. Not able to furnish the bones, dance would linger outside, on the threshold of the archive.
03. Its practitioners (dance lovers) could not practice the archival necrophilic love of the remainder (the fetishist carress), but they would need to practice reminding. Their pathology would not be fetishism but – in want of the lost object (which was never an object in the first place) – they would be enthralled in the ‘Trauerarbeit’ of the melancholic. If so much dance discourse often has an elegiac overtone, it’s because of this melancholic undercurrent. rakete_52-50 03. Seine Praktikanten (Tanzliebhaber) konnten nicht die archivische nekrophile Liebe der Überreste (die fetischistische Liebkosung) ausüben, aber sie würden Erinnerung praktizieren müssen. Ihre Pathologie wäre nicht der Fetischismus, sondern – mangels des verlorenen Objekts (das ohnehin nie ein Objekt gewesen ist) – sie wären von der Trauerarbeit des Melancholikers in den Bann geschlagen. Wenn der Tanzdiskurs oftmals elegische Obertöne aufweist, dann wegen dieser melancholischen Unterströmung.
02. Liebe Leserin,
meinerseits gab es keine Verwirrung und keine Fragen – und natürlich kann es nicht „gegen“ die d. sein; ich sagte „parasitär“. Ich kenne S. seit fast 20 Jahren, es fällt mir wirklich schwer, etwas wie das d. – Magazin – Projekt allzu ernst zu nehmen. Rs „Entschuldigung“ schon ganz am Anfang war lustiger: Er nannte es einfach seine Google-Maschine.
conversation

02. Dear readers,
there were no perplexities & no questions from my side – and of course it can't be "against" d.; I said "parasitic." I know S. for nearly 20 years; it's really difficult for me to take something like the d. magazine project too serious. R's "excuse" from the very beginning was more funny: he just called it his Google machine.

01. Good luck to all of you. Best, Miryam. rocketmoth 01. Viel Glück euch allen. Grüße, Miryam.