Corpus Suche:

Antworten 15–21

WAS IST CHOREOGRAPHIE #3

 

David Ender

Choreographie ist das Planen von Handlungen im Raum mit der Absicht, diese Handlungen einem Publikum vorzuführen. Wird dem Publikum die Beobachtung verwehrt oder das Geschehen der Handlung verhindert, wird sie zu Meta-Choreographie.

 

– – – top – – –

 

Chris Standfest

Vorab: Ich bin nicht choreografin. Oder genauer: meine künstlerische position ist nicht die einer choreografin. meine künstlerische praxis besteht zumeist darin, subjekt und medium der choreografie zu sein - also performerin, darstellerin, akteurin. Und davon ausgehend, dass choreografie die intentionale ästhetische produktion von kommunikationsverhältnissen in präzise gesetzten räumen für agierende und zuschauer ist, liegt in der synthese der figur „subjekt und medium von choreografie“ auch eine der radikalen qualitäten von „choreografie“: nämlich widersprüche, bewegungsformen, spaltungen und kräfte von handlungs-, unterwerfungs- und vermittlungsverhältnissen von menschen zu organisieren - d.h., ihnen den moment einer geteilten und fordernden physisch-mentalen präsenz zum zweck von genuss und erkenntnis zu verleihen. ich „leihe“ dieser choreografischen praxis also meine person (mein leben), als performerin, die die grundlegende gesellschaftlichkeit, die abhängigkeit (oder interdependenz) jeglicher kommunikation von differenz und trennung (entwerfen-ausführen, innen-aussen, beobachten-handeln, erkennen-verändern) und zugleich von tätigem ergreifen und verantwortung (independence) veröffentlicht und austrägt. Und das ensemble dieser praxen und haltungen wäre für mich choreografie - oder ihr gegenstand. Sonst ist es nicht mal nett.

 

– – – top – – –

 

Barbara Kraus

Eure Frage lautet: „Was ist heute unter Choreografie zu verstehen?“ Seltsam, dass ihr mich das fragt, denke ich mir, aber warum auch nicht. Um ganz ehrlich zu sein, mich beschäftigt diese Frage in Wirklichkeit überhaupt nicht, weil ich gar kein Interesse daran habe, irgend jemandem zu erklären, „was heute unter Choreografie zu verstehen“ sei. Ich habe mich auch nie sonderlich für Choreografie interessiert - wahrscheinlich, weil ich nie ein Bedürfnis danach verspürt habe, jemandem zu sagen, wie er oder sie sich durch Raum und Zeit bewegen könnte, laut meinen Vorgaben. Wie sich Menschen bewegen, das hat doch viel damit zu tun, welchen Erfahrungen die Körper dieser Menschen ausgesetzt waren; ich habe das immer als etwas sehr Persönliches empfunden und mir dementsprechend schwer getan, gegen mein eigenes Körperempfinden zu agieren, also zum Beispiel zu springen, wenn mir eher danach zumute war, unter einen Teppich zu kriechen. Der Grund, aus dem ich jetzt überhaupt bereit bin, mich mit dieser Frage zu beschäftigen, hat vielleicht auch damit zu tun, dass mich Fritz Ostermayer gefragt hat, ob ich für seine Mäuseoper eine kleine Choreografie machen möchte. Das bringt mich in Verlegenheit, in so große Verlegenheit, dass ich letzte Nacht schon einen Choreografie-Alptraum hatte. In diesem Traum war ich eingeladen, in Amsterdam, wo ich etwas, das sich „neue Tanzentwicklung“ nannte, studiert habe, da war ich tatsächlich eingeladen, für ein paar StudentInnen eine Choreografie zu entwickeln. Ich war aber nicht die einzige, die das tun sollte, es gab mehrere ChoreografInnen, sozusagen einen Choreografiewettbewerb, und bei den anderen gab es viel organisierte Bewegung im Raum, und das alles hat ganz passabel ausgesehen, diese verschwitzen Körper und die ernsten Choreografen, die nichts anderes taten, als daneben zu sitzen und zu schauen und dazwischen ein paar kleine Bemerkungen fallen zu lassen und eine kleine halb angedeutete Bewegung, eine flüchtige Geste, die dann von den eifrigen TänzerInnen gekonnt aufgegriffen und weitergeführt wurde, und das alles war sehr beeindruckend. Ganz kleinlaut und ängstlich saß ich da, weil mir bewusst wurde, dass ich nicht wusste, was ich ihnen würde anbieten können. Dann kam der Moment der Wahrheit, sie saßen um mich herum mit erwartungsvollen Blicken, und ich hatte nichts, nichtmal eine Idee, irgendetwas, das sie dazu bringen könnte, sich der Trägheit der Schwerkraft zu widersetzen. Noch dazu gab es andere Personen, die wollten mir bei der Arbeit zuschauen, wollten wissen, wie ich choreografiere, und außerdem war es sehr laut in dem Raum, von überall her kamen die seltsamsten Geräusche, und mein Unbehagen wurde so groß, dass ich aufgewacht bin. Die Geräusche kamen von der Wienausfahrt, ich wohne nämlich fast direkt neben der Straße, die später zur Westautobahn wird. Auch das eine weitverzweigte Choreografie, die Straßen einer Stadt, und wie die Autos diesen Straßen folgen und wie die Autos choreografiert sind durch Ampeln und Verkehrsregeln. Das ist auch gut so, und trotzdem endet es manchmal tödlich. Johnny meinte mal, als er erklären sollte, wer oder was ein Choreograf ist: „Ein Choreograf ist jemand, der die anderen tanzen lässt, aber selber nicht tanzt.“ Und in Anspielung auf Jérôme Bel meinte er: „Das ist ein Choreograf, der selber nicht tanzt, aber auch niemand anders tanzen lässt." Heute ist Choreografie, dass ich hier sitze und meine Finger und Augen einen kleinen Tanz auf der Tastatur vollbringen, während meine Beine überkreuzt unter dem Tisch sind, mein Rücken bewegungslos und leicht gekrümmt, folge ich der Choreografie der Buchstaben, und es gibt keine Zuseher, und im Gegensatz zur Choreografie steht es hier jetzt schwarz auf weiß, die Schrift der Bewegung hinterlässt keine Spur außer einem Gefühl im Körper, weniger bei den Zusehenden als bei den Bewegenden, wie ein kleiner Kosmonaut verliert sie sich in der Zeit, und zurück bleibt Flüchtigkeit und ein leerer Raum.

 

– – – top – – –

 

Thomas Lehmen

Choreographie ist die Organisation von Elementen in der Raumzeit, also die Organisation von Bewegung.

Nach welchen Gesichtspunkten diese Organisation vorgenommen wird, wer und wie Viele wie daran beteiligt sind, oder ob die Elemente sich selbst organisieren, ist theoretisch komplett offen. Auch die Elemente können Alles sein: neben Körpern eben auch Gedanken, ganze Menschen, Klänge, ein Hund, ein paar Steine, ein Baum, ein Stück Pappe, Historie und so weiter.

Und die Raumzeit ist ja auch nicht nur, was sich im Rahmen eines Bühnenstückes, im Schnitt 65 Minuten, auf den ca. 12x14 Metern der Bühne abspielt. Denn jeder Raum ist auch gleichzeitig ein geistiger Raum mit unendlich vielen Fenstern und Türen.


Sobald sich überhaupt irgend etwas auf der Bühne bewegt, bewegt sich ein ganzer Komplex von Wahrnehmungen, Gefühlen, Assoziationen und Welt mit.

Choreographie ist auch, zu zeigen, in welcher Konstruktion von Welt wir diese Organisation vornehmen. Ich habe ja eingangs diese Konstruktion aus Einsteins Relativitätstheorie entlehnt. Da sind natürlich alle anderen existierenden universellen Welterklärungen, oder – wenn man diese nicht will – alle bekannten philosophischen Modelle, die zeigen, wie etwas funktionieren und gesehen werden kann, ebenso als Grundlage möglich, ebenso das persönliche Weltbewusstsein eines Jeden.

Eine sehr gelungene Choreographie zeigt meiner Meinung nach auch, dass wir diese Konstruktion von Welt, einschließlich ihrer philosophischen Grundlage, mit eben dieser Choreographie ebenfalls gestalten, also gerade an einem Stück Welt bauen.

Theoretisch scheint also alles offen, aber was macht in welchem Kontext Sinn? Die Aufführung funktioniert ja auch nur, wenn die Choreographie verstanden wird.

Das Bild der Mona Lisa mag, im Dschungel hängend, wo es nur von Insekten und einigen Säugetieren eben nicht wahrgenommen wird, wenig Sinn machen, außer für dieses Beispiel. Auch als geraubte Kunst, versteckt im Keller eines Milliardärs, bleibt der Kontext recht beschränkt und mag nur wenig Austausch und Kommunikation hervorbringen.


Im Kontext der Aktualität, der Tradition, der Mode oder des gerade erst avantgarde entwickelten Diskurses wird jeweils eine spezifische Sprache benutzt, die eine Kreation der Theaterrealität hervorruft. Damit meine ich die Realität, welche die Betrachtung und das Werk in einem gemeinsamen Moment hervorrufen. Dies ist dann natürlich auch keine singuläre Realität, sondern eine Vielzahl von Realitäten, die über die Anzahl der Betrachtungen noch hinausgeht. Das Kunstwerk funktioniert in diesem Kontext als unbeschränkte Einheit, das nicht nur zu bestimmter Zeit, in einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Materialität besteht, sondern in der Komplexität eines jeden denkbaren Zusammenhangs aufgeht.


Choreographie ist eben auch die Choreographie des Zusammenhangs, denn die Choreographie ist nur ein Element neben anderen, die alle den Zusammenhang ausmachen.

Aus diesem Zusammenhang nährt sich die Choreographie und beruft sich gleichzeitig darauf. Mit Elementen, die, schon existierend, aufgewärmt, wieder gefunden, durch mehr oder weniger interessante Prozesse des Recyclens gehen. Immer gibt es die Faktoren der Variation, der Kombination, der Selektion, des Wiedererkennens, der Fortentwicklung durch verschiedene Prozesse.


Man könnte denken, analytische Methoden der Organisation seien entscheidend für die Kunst. So sehr man sich auch Mühe gibt, diese - meist nach ihrer Entwicklung durch Künstler - zu formulieren, lassen diese den alles entscheidenden, aber unbestimmbaren Faktor außen vor: Warum Kunst Kunst ist und nichts anderes, und aus welchem Grund ein Künstler sich für seine individuelle Form der Kunst entscheidet. Eine Kunst, die ihrer Natur entsprechend sich jeder letztlichen Erklärung und Definition entzieht, sich durch nichts anderes adäquat beschreiben lässt, außer durch die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit ihr selbst, und dennoch nötig ist, den Rest der Welt wieder neu zu verstehen.

Mir konnte bisher weder jemand erklären, was Kunst ist, noch könnte ich, der ich ja ein Künstler zu sein scheine, dies selbst erklären - außer sie zu tun, die Kunst. Ich weiß, dass es wichtig ist, und ich weiß, dass ich nichts anderes machen will. Und ich beobachte, dass sich Kunst, bevor man die Erklärung formuliert hat, schon wieder geändert hat.


In all dem Zusammenhang von wissenschaftlicher Analyse, in dem der ebenfalls nur schwer zu greifende Künstler selbst nun mal nicht ganz wegzudenken ist, sind eben dessen Genialität, Wirrwarr, Kreativität, Persönlichkeit, Notwendigkeit zum Schaffen, Mut, Verstehen, Verletzlichkeit, Wissen, Imagination, Selbstlosigkeit, Intelligenz, Überzeugung usw. alles Faktoren, die uns zwar wie Tugenden und Eigenschaften des vorletzten Jahrhunderts vorkommen wollen, doch glauben Sie mir, alle großartigen Künstler haben all dies und noch viel mehr. Vor allem wissen sie alles und oft nichts, aber irgendwann wissen sie ganz genau, was sie wollen, auch wenn es noch niemand Anderes versteht.


Gerade die durchaus persönliche Motivation und Prozessierung von Welt scheint mir der wichtigste Faktor unter allen anderen zu sein. Manchmal ist dies thematisiert oder taucht als angedeutetes Geheimnis auf. Doch selbst bei der entferntesten Konstruktion eines Werkes kann ich nicht ganz glauben, dass der Sinn des Dinges nichts mit der rein persönlichen Wahrnehmung und individueller Prozessierung des Künstlers zu tun hat.

Da gibt es schon bei näherem Kennenlernen einige Traumata und auch harmlosere Kindheitseindrücke, die uns zu individuellen Organisationsformen, thematischen Vorlieben, charakterlichen oder -losen Qualitäten bewegen. Weitere Schaltungen sind mühevoll angeeignet oder selbst erarbeitet. Im interessanteren Fall bei jeder neuen Produktion neu entwickelt.

Ich für meinen Teil bin zwischendurch eigentlich immer wieder gerne der Idiot, der nichts weiß. Ist zwar riskant, manchmal im Studio zu stehen und nicht zu wissen, wer man ist, aber dann weiß ich wenigstens, woran ich mit mir bin.


Am Beispiel einer Arbeit von mir, „Schreibstück“, deren 19. Version im September in Australien Premiere hatte, kann man die Relationierung der Tänzer und Choreographen mit einer einfachen Kanonstruktur und spezifischen zu bearbeitenden Themen beobachten. Eine Haltung zu etwas wird transparent und konstitutiv. Ein Mensch, der auf das, was ihn in diesem Moment konstituiert, Stellung bezieht, anstatt den Menschen als rein ausführenden zu beobachten. Nur wenige Choreographen setzten sich über die Vorgaben hinweg, was sie sehr wohl tun könnten.

In „Funktionen“, dem darauf folgenden Projekt, kann die ausführende Person von vornherein über alle konstitutiven Faktoren verfügen, und all diese Elemente und Parameter bestimmen. Der Schaffende nimmt nicht nur Bezug zu ihnen, sondern ist auch genötigt, über die Grundlagen zu reflektieren und diese kreativ zu beeinflussen. Wichtigstes choreographisches Mittel ist hier natürlich die Kommunikation, denn ohne Sprache, und damit meine ich jeglichen Austausch von Information mittels Zeichen, lassen sich über die Grundlagen keine Entscheidungen treffen.

 

– – – top – – –

 

Frans Poelstra & Robert Steijn

Frans sagt: „Wir sind nicht so mit dieser Frage beschäftigt, wir sind damit beschäftigt, zu arbeiten. Und in gewisser Weise beschäftigen uns mehr die Leute, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Zum Beispiel in unserem neuen Stück ‚feminine delight‘. I glaube, wir erzählen gerne Geschichten über Leute, die Choreographien machen.“ Robert sagt: „Du hast wie immer Recht, aber ich möchte dies hinzufügen: Ich glaube, was wir tun, ist immer noch Choreographie machen. Weil wir Konstruktionen von Bewegung auf der Bühne machen. Auf der Bühne bewegen wir uns mit unseren Körpern durch unsere Gedanken, Meinungen, Sehnsüchte, Träume und Ängste. Wir einigen uns nie auf eine festgelegte Interpretation, schlittern immer durch verschiedene Perspektiven. Wir mögen keine Stagnation. Und die Choreographie ist eine Kunstform, die jegliche Form der Stagnation bekämpft. Sie ist eine Kunstform, die Bewegung propagiert und Abwechslung in jedem Augenblick unseres (Bühnen-)Lebens. Und - ja, noch mehr interessiert uns die Flexibilität des Geistes, sich ständig zu bewegen, und dann nur der Körper selbst. Aber existiert er wirklich - nur der Körper, ist der Körper nicht immer Körperlichkeit und Geist zusammen? Ich sehe uns gerne als die Choreographen des Geistes… Was meinst du?“ Frans sagt: „Mmmm, klingt großartig, machen wir das! Befreie deinen Geist - werde Choreograph!“

 

– – – top – – –

 

Andrea Amort

Was ist heute unter „Choreografie“ zu verstehen? Gestaltete, absichtsvolle Bewegung, die in einem Spannungsverhältnis zum Raum und zur Zeit steht und in weitestem Sinn mit einem rhythmischen Movens zu tun hat. Nicht Inszenierung (die kommt dazu), nicht Improvisation, auch nicht strukturierte Improvisation. Allerdings ist festzustellen, dass sich die Inhalte von Begriffen verändern. In den letzten Jahrzehnten haben improvisatorische und performative Elemente nicht nur verstärkt Einzug in Produktionsverfahren gehalten, sie sind zunehmend Teil oder Hauptbestandteil einer Aufführung. Das sichtbar Energetische und seine Formung, das, was westliches Ballett, aber auch zeitgenössische europäische und nordamerikanische Bühnenformen im 20. Jahrhundert charakterisierte, ist, wenigstens im experimentellen Tanz, derzeit nicht im Vordergrund. Die Aussage beherrscht die Kreation, die Formstiftung hinkt hinterher, die Grenzen zu anderen Kunstgenres sind fließend und mitunter fruchtbringend. Im Fluss der Geschichte, die es zu kennen gilt, geht es um eine stete Neudefinition.

 

– – – top – – –

 

Boyan Manchev

„Was bedeutet Choreographie heute?“ - Es ist klar, dass wir auf die Frage „was ist Choreographie“ nicht weiter substantialistische oder formalistische Antworten liefern können. Andererseits wäre es ein tautologisches Vorgehen, wenn man bloß ein Amalgam von Praktiken beschriebe, die angeblich das Volumen des Begriffs „Choreographie“ heute ausmachen. Die einzig mögliche Perspektive, die vorgelegte Frage zu reflektieren, scheint also die funktionelle zu sein. Aus einer funktionellen Perspektive könnte die Frage „Was bedeutet Choreographie heute?“ folgendermaßen ausgelegt werden: Was tut Choreographie heute? Warum? Wofür steht dieses Tun?

Das Geschäft des Philosophen ist es, mit Konzepten zu arbeiten. Also muss er das Risiko auf sich nehmen, eine konzeptuelle Antwort vorzulegen, so kurz, dass sie notwendiger Weise formalisiert sein muss.

Choreographie ist eine Operation der Singularisierung, das heißt, der Erfindung-Produktion von Singularität, oder einer singulären Lebensform. Diese Operation beinhaltet die Ebenen perzeptiver und reflexiver (E)motion und Kraft. Die Agenten dieser Operation der Singularisierung könnten als Produzenten, Performer, Zuschauer und institutionelle Agenten identifiziert werden. Diese Positionen sind strukturell und nicht substanziell: sie könnten in jedem Moment der Operation der Singularisierung ununterscheidbar sein.

Es ist heutzutage üblich, von den politischen Aufgaben der Choreographie zu sprechen. Wir sollten es jedoch vermeiden, diese Aussage nur im Sinne der Repräsentation politischer Inhalte in kritischer Perspektive zu verstehen (zum Beispiel die spektakuläre Kritik am Medienspektakel oder die Repräsentation von nicht repräsentierbarer Gewalt und Schmerz), weil die Logik der Repräsentation die inhärente Logik der Politik der Herrschaft ist. Mehr noch, die Choreographie hat ein proto-politisches Potential, das heißt, ein Potential, der Politik der Herrschaft entgegenzutreten. Wenn das Theater - die erzpolitische Kunst -, welches gemäß einer Logik der Substanz und der Individuen die Umverteilung des Gemeinsamen repräsentiert, durch welches Herrschaft eingesetzt wird (und bei dem auch heute noch die Gründe im Mythos verbleiben), operiert die Choreo-graphie mit der techné der Singularisation in der Leere des Gemeinsamen wie mit reinen Kräften. Der Körper erscheint in dieser Leere nicht als eine Konglomeration von Zeichen oder als substantielle organische Kraft, als Topos des immanenten Überschusses an Leben; er findet Statt als eine multiple Operation der (Dis-)Organisation seiner techné, das heißt, der Singularisations-Operation, durch welche der Raum des Gemeinsamen neu komponiert wird. Die tatsächliche Bedeutung der Choreographie kann dann auch als eine Gegen-Operation der Transformation standardisierter Modi der Subjektivitäts-Produktion gedacht werden, das heißt, der Kodifizierung und Kommodifizierung von Körper, Wahrnehmung, Reflexion und Emotion im politökonomischen Kreis des globalen pervertierten Kapitalismus, der anstrebt, den Horizont der Welt auf den über-ausgebeuteten Raum des Globus zu reduzieren.

 

– – – top – – –