Defigurationen
ZUR SZENE DES ANAGRAMMS IN TANZ UND PERFORMANCE DER GEGENWART
[...] das Bild des Geschlechts auf die Achsel, das des Beines auf den Arm, das der Nase auf die Ferse. Hand und Zahn, Achsel und Geschlecht, Ferse und Nase, kurz, virtuelle und reelle Erregung vermischen sich, indem sie sich überlagern.
Hans Bellmer
Self Unfinished
... mit Hans Bellmer
In der vielbesprochenen Tanzperformance Self Unfinished (1998) des in Berlin lebenden französischen Choreographen Xavier Le Roy, Doktor der Mikrobiologie, ist die Bühne in Neonlicht getaucht, wie in einem Labor. Zu sehen sind ein Tisch, ein Stuhl, ein Kassettenrecorder und - im Augenblick dieser Lektüre - ein entkleideter Körper mit dem Rücken zum Publikum, im Schulterstand: ein Torso, der kopflos oben und unten austauschbar macht. Schulter und Becken doublieren irritierend einander und zugleich sich selbst, als setzten sie eine anagrammatische Zeichnung aus Hans Bellmers surrealistischer Puppen-Serie in Szene.
Xavier Le Roy, Self Unfinished, 1998 Photo: Armin Linke |
Hans Bellmer, Torso 1935 |
In seinem Buch Anatomie des Bildes schreibt Bellmer:
„Der Körper gleicht einem Satz, der uns einzuladen scheint, ihn bis in seine Buchstaben zu zergliedern, damit sich in einer endlosen Reihe von Anagrammen aufs Neue fügt, was er in Wahrheit enthält." [1]
Ein anagrammatischer Körper [2] also - Körpersätze, die die Syntax des Körpers immer neu setzen. Auch Arme und Beine, Hände und Füße tauschen choreographisch andauernd ihre Plätze: bei Le Roy wie bei Bellmers Puppe. Ein Organismus entstellt seine Organik.
Xavier Le Roy, Self Unfinished, 1998 |
Hans Bellmer, La Poupée, 1935 |
Das Prinzip des Anagrammatischen markiert eine prägende Denkfigur im zeitgenössischen Tanz und in Performance. Mit Hans Bellmers Anagrammatik des Begehrens lassen sich neben den Performances von Xavier le Roy auch die Arbeiten von Meg Stuart, William Forsythe, Jérôme Bel oder Tim Etchells lesen - um nur die Protagonisten der zeitgenössischen Szene zu nennen, die im vorliegenden Text vorkommen werden - als Erinnerung an bereits „klassisch" gewordene Beispiele, die hier wiederum im Zeichen einer singulären Denkfigur neu zusammengedacht werden. Ist die performative Setzung hier von einer Entsetzung markiert, von einer Wiederholung wider den eigenen Strich, so verläuft die Choreo-Graphie wieder und wider zugleich - also anagrammatisch: Das griech. Präfix „ana-" bedeutet u.a. „wieder" und „wider" (z.B. Anagnorisis: Wiedererkennen; anatrop: widerläufig). Ein Anagramm (von gr. anagraphein: umschreiben) ist bekanntlich die Umstellung der Buchstaben eines Wortes oder eines Wörterdispositivs zu einem neuen. Es ist hier als Prinzip der gleichzeitigen Wiederholung und Widersetzung, des sich selbst entzogenen Vollzugs interessant, als Figur der Defiguration, der performativen Ent/Setzung der Referenz. Diese Figur läßt sich dekonstruktiv denken: als mehr als eine Sprache und zugleich keine Sprache mehr (als plus d'une langue, so Derridas kürzester Versuch einer Definition der Dekonstruktion):
„Ich glaube, daß es in dieser Sache nur Übertragung(en) gibt, und ein Denken der Übertragung(en), in der Summe aller Bedeutungen, die dieses Wort in mehr als einer Sprache annimmt, und an erster Stelle Übertragung(en) zwischen Sprachen. Wenn ich das Risiko eingehen müßte - Gott behüte mich davor - eine einzige knappe, elliptische und sparsame Definition der Dekonstruktion als ein Losungswort auszugeben, so würde ich einfach, ohne einen Satz zu bilden, sagen: mehr als eine Sprache/nichts mehr, was einer Sprache angehört (plus d'une langue)." [3]
Als Verdichtung dieser disjunktiven Markierung des Sprachlichen verweist das Anagramm, diese immer andere Sinnkonstellation des gleichen Buchstabenmaterials, auf mehr als einen und auf keinen Sinn mehr. So könnte man das Anagrammatische als bestimmtes Schreib- und Leseverfahren denken, das die Gegenläufigkeit in jeder Sprachsetzung sichtbar macht, ein Verfahren, das verunmöglicht, was es allererst ermöglicht, das sich selber der Praxis unterzieht, die es vollzieht.
...mit Antonin Artaud
Le Roys Körper-Verstellungen, seine ver-rückten Anamorphosen erinnern an Antonin Artauds Imperativ in seinem Text Den Schauspieler verrückt machen:
„Laßt endlich die menschliche Anatomie tanzen,
von oben nach unten und von unten nach oben,
von hinten nach vorn und,
von vorn nach hinten,
aber übrigens mehr von hinten nach hinten
als von hinten nach vorn [...]" [4]
Artauds Theater der Grausamkeit visiert, so könnte man sagen, eine anagrammatische Auseinander- und Neuzusammensetzung des Körpers an:
„Die Wirklichkeit ist noch nicht geschaffen, weil die wahren Organe des menschlichen Körpers noch nicht zusammengestellt und eingesetzt sind.
Das Theater der Grausamkeit wurde geschaffen, um diese Einsetzung zu vollenden, und um mit einem neuen Tanz des menschlichen Körpers diese Welt der Mikroben, die bloß ein koagulierendes Nichts ist, in die Flucht zu schlagen.
Das Theater der Grausamkeit will paarweise Augenbrauen mit Ellbogen, Kniescheiben, Schenkelknochen und Zehen tanzen und sehen lassen". [5]
Wird heute die kabbalistische Hypothese des Körpers bzw. Namens als genetisches Anagramm buchstäblicher denn je genommen wird, nämlich als Buchstabenkombination der vier Nukleotide ATGC, so auch im Sinne eines Denkens suspendierter Linearität. Und steht im anagrammatischen Grund der Sprachkabbalistik die archaische Vorstellung, daß die Lettern den Körper der Gottheit bilden, daß die Lettern seines Namens - als verkörperte Metonymie - Gott selbst sind, so läßt sich im letztlich grausam abgründigen anagrammatischen Gestus eine neue Kreatur beschwören. Insofern könnte Artauds cruauté, seine ‚Grausamkeit', sein unerbittlicher Widerstand gegen Gott als den Großen Souffleur buchstäblich als Anagramm von creature gelten.
Le Roys Solo-Performance, die dieser anagrammatischen Prozedur präzise folgt und deren Selbst, deren Subjekt-Reflexion nie zu vollenden ist, heißt nämlich Self Unfinished. Die kopflose Schulterstand-(Ent)Stellung kommt da in verschiedenen Variationen vor. Le Roys Leichtigkeit einer äußersten Konzentration probiert keine neue Zuschreibung des Körpers aus, sondern die anagrammatische Form des Formlosen, die Gestalt des Gestaltlosen. Le Roy:
„Es geht mir gerade nicht darum, Formen zu definieren, sondern vielmehr darum, etwas formlos zu machen." [6]
Was sich in Self Unfinished bewegt und seine Beweggründe erforscht, ist formlos, nie vollendet ins Bild gesetzt. Denken wir an die leibhaftigen Hieroglyphen jener „Fleischwerdung des Schriftzeichens" [7] (so Derrida über Artaud), das allerdings einmalig bleibt, sich sogleich auflöst, bevor es Form wird, unwiederholbar: Denken wir dabei an Artauds Imperativ, so zu „sein wie Verurteilte, die man verbrennt und die von ihrem Scheiterhaufen herab Zeichen machen", [8] oder an jene „Art zarten, lebhaften Feuers, an das keine Form rührt" [9]. Also keine soufflierten oder „fremdbestimmten" Körper -
„Weil ich glaube, daß es nicht notwendig ist, dem Publikum eine bestimmte Körperlichkeit anzubieten, mit der es sich identifizieren kann in der Art wie: "Wow, tolle Körper, fantastisch, was die können." Ich möchte dazu beitragen, solche Identifikationsmuster zu ändern, weil sie fremdbestimmen." [10]
...mit Heinrich von Kleist
Xavier Le Roy streckt sich immer wieder entlang der Falte zwischen dem weißen Bühnenboden und dem weißen Bühnenhintergrund und verweilt dort. Er streckt sich fast verschwindend entlang dieser Falte, dieser Buchfalte - als zitierte er Heinrich von Kleists tanzende Marionette, die den Boden braucht „wie die Elfen, um ihn zu streifen [...] um darauf zu ruhen [...] ein Moment, der offenbar selber kein Tanz ist" [11] . Der Körper wird als ruhende Linie, als ‚still', als Gedanken-Strich, als Auslassung defiguriert - gegen den Strich jeder Linearität der Sicht. Sein Tanz, der keiner ist, seine De/Figurationen, Ent/Stellungen, Ent/Faltungen markieren noch eine für den zeitgenössischen Tanz spannende Figur, die Figur des Stillstands. Es sind Momente der Stille, des Sprungs, des Sprungs in und jenseits der Zeit, still acts: Le Roy fängt seine Performance immer an dem Tisch, an dem Schreibtisch an, indem er kurz dort einfach verweilt, um immer wieder - nach jeder der zehn choreographischen Sequenzen - zum Schreibtisch zurückzukommen und dort zu ruhen, sei es auch nur für Sekunden. Hat, so Paul de Man, Kleists „ästhetische Kraft weder in der Puppe, noch im Puppenspieler ihren Sitz, sondern im Text, der sich zwischen ihnen entspinnt" [12] , als „das Transformationssystem, die Anamorphose des Fadens", so ist Le Roys Self Unfinished Puppe und Maschinist zugleich, ohne den Faden dazwischen zu entwirren. Und ist, laut de Man, der „Boden der Puppe [...] nicht der Boden stabiler Erkenntnis, sondern eine andere Anamorphose des Fadens, durch die er zur Asymptote einer hyperbolischen Trope wird" [13] , so gehört auch die Falte zwischen dem weißen Bühnenboden und dem weißen Bühnenhintergrund zum szenischen Transformationssystem zwischen Linie und Kurve, wie zwischen Fläche und Raum: Le Roy streckt sich dort, selbst Asymptote seiner hyperbolischen Tropen, der Hyperbel des Tanzes zum Beispiel, des Tanzes im Stillstand (wie vage auch immer Kleists geometrische Figuralität sein mag oder besser: gerade deswegen).
Zeitgenössischer Tanz wird oft von ‚still acts' perforiert, von Lücken durchsetzt, bzw. fast ganz besetzt. [14] Indem er die Gesten stillstellt, hebt sie der Tanz aus der Zeit heraus, er setzt sie in Szene und setzt sie zugleich aus. ‚Stills' sind hier als differente Multiplikation des Präsenten zu denken, in denen die Präsenz als ein - freilich potentielles - Unterbrechen des Jetzt auftritt. Es sind die Gesten als Zäsuren, die hier Tanzgeschichte(n) stillstellen und die Szene perforieren. Sie sind von Referenzen durchsetzt, die jedoch auf nichts referieren. Der Körper verabschiedet sich selbst. Die Choreographie macht ihn nicht sichtbar, sondern sich selber abwesend. Der Körper tritt erst durch seine Schnitte in Erscheinung. Sinn entsteht erst als Effekt der Nachträglichkeit, als Überschuss, als Verschwendung, als Zuviel und Zuwenig zugleich. Die Tauschökonomie der Repräsentation wird von Gesten gebrochen, die sich so geben, dass sie alles Wiedergegebene zugleich zurücknehmen. Was bleibt, ist das Nie-Gezeigte, der performative Rest der Abwesenheit, die Präsenz der Absenz. [15]
...oder mit Heiner Müller
Die Vor- und Verstellungen, die immer neu ansetzen, die Rückwärtsgänge, die Denkbewegungen gegen den eigenen Strich buchstabieren womöglich das wissenschaftliche Interesse des Mikrobiologen Le Roy für die Krebszelle - über den wuchernden Verlust ursprünglicher Codierung des Körpers, über seine Krebsgänge, über palindromatische Raum- und Zeit-Spiegelschriften. „Krebs mein Geliebter", greifen auch die letzten Worte von Heiner Müllers Quartett sehnsüchtig den Zerfall der textuellen Zelle auf, soviel wie den Krebsgang, den palindromatischen Zug der (szenischen) Schrift, die sich selbst stets setzt und entsetzt, zurückbuchstabiert. Die Körperfiguren verändern sich stets, nicht einfach um einfallsreich Möglichkeiten der Verwandlung zu exponieren, sondern um jede Lektüre zu verunsichern. Die Maschine Le Roy, die anfangs, das tradierte Körperalphabet buchstabierend, einzelne Glieder separat nach ihrer Funktion befragt, und jede minimale Bewegung mit hydraulischen Mundgeräuschen begleitet, läßt an den Gestus von Heiner Müllers Hamletmaschine denken: „Ich will eine Maschine sein. Arme zu greifen Beine zu gehen". „Ich bin die Schreibmaschine", heißt es bei Müller, und so schreibt (sich) auch die Maschine Le Roy. Und sie schreibt sich um - auch über den Zuschauerblick, der wie ein Bleistift gespitzt wird. Jede minimale Bewegung richtet sich auf sich selber hin, um sich hinzurichten, sie kreuzt sich selber an und zugleich durch: „Denken ist für mich eine körperliche Praxis", sagt Le Roy. [16] Er läßt das Denken des Körpers anagrammatisch (ab)handeln.
Das self unfinished arbeitet am eigenen Körper und am Körper seiner Inszenierung im Modus eines Schwebens zwischen Referenz und Performanz. Und glaubt man kurz zwei miteinander tanzende-kämpfende Körper, einen männlichen und einen weiblichen, zu sehen, als Le Roy sein allzu langes T-Shirt über den Kopf und die Arme zieht, sich bückt und hin- und zurück schreitet, als seien Kopf und Arme ein Unterkörper im Rock, der mit seinem siamesischen Zwilling, Le Roys tatsächlichem Unterkörper in Hose, kopflos verbunden ist, so wird auch dieses Bild schnell fallen gelassen. Der Performer richtet sich nüchtern, sachlich wieder auf und setzt sein akribisches Leibszenario fort. Denn der Tanz-Kampf, ist zweifach kopflos zu sehen, buchstäblich und übertragen: Einerseits fehlt der teils umgestülpten Figur in der Tat der Kopf, und andererseits wäre es töricht, diese Sequenz ausschließlich referentiell weiterzudenken, etwa als paradigmatischen Kampf der Geschlechter etc. „'What you see is what you see'", hat der amerikanische Künstler Frank Stella gesagt", erinnert Xavier Le Roy. [17] Weitere figurative und wörtliche Tänze-Kämpfe, beispielsweise von Heiner Müllers Herakles 2 oder Die Hydra, lassen sich in Bezug dazu setzen:
„Sich den Bewegungen des Feindes anpassen. Ihnen ausweichen. Ihnen zuvorkommen. Ihnen begegnen. Sich anpassen und nicht anpassen. Sich durch Nichtanpassen anpassen. Angreifend ausweichen. Ausweichend angreifen. [...] in dauernder Vernichtung immer neu auf seine kleinsten Bauteile zurückgeführt, sich immer neu zusammensetzend aus seinen Trümmern in dauerndem Wiederaufbau, manchmal setzte er sich falsch zusammen, linke Hand an rechten Arm, Hüftknochen an Oberknochen [...] lernte er den immer anderen Bauplan der Maschine lesen, die er war aufhörte zu sein anders wieder war mit jedem Blick Griff Schritt und daß er ihn dachte änderte schrieb mit der Handschrift seiner Arbeiten und Tode." [18]
Die erotisch-kriegerische Anpassung an die Bewegungen des Gegners korreliert auch hier mit Kleists Fechten mit dem Bären (Über das Marionettentheater). Hier ist jeder Schrift-Zug nichts als eine sich selbst feiernde, hervorbringende Parade, die nicht zu parieren ist. Ver-rücktheit der Sprache in ihrer referentiellen Irreduzibilität. Denn Sprache ist wie Kleists Herr C, der mit dem Bären fechten übt:
„Seine Stöße gehen daneben, treffen fehl, sind falsch plaziert, gleiten aus der Bahn und weichen ab. So auch die Sprache: sie stößt immer und trifft nie. Sie referiert immer, aber nie auf den richtigen Referenten." [19]
Oder eine andere Figur für die Körper-Verstellung - neben dem Anagramm - der Chiasmus (vom griech. Chi'= Χ) [20] . Man könnte sagen, daß Xavier Le Roy die chiastische Beziehung zwischen Tanz und Theorie am eigenen Körper vollzieht. Die chiastische Umkehrbarkeit der Theorie des Tanzes als Tanz der Theorie wird in Self Unfinished buchstabiert. Wird mit der rechten Hand der linke Fuß bewegt, und mit der linken der rechte, als Le Roy im Schulterstand mit dem Rücken zum Publikum ‚sitzt', so zeichnet dieser verstellte anagrammatische Körper chiastisch ein χ. In dieser Umkehrbarkeit wird der Körper enteignet und dem stets Anderen übereignet, und jede Reflexion darüber wird biographisch signiert: „Theory is biography", sagt Le Roy in seiner Performance Product of Circumstances, als hätte er Paul de Mans Autobiographie as De-facement vortragen wollen. „Giving a lecture is doing a performance", sagt Le Roy und stellt die Thesen seiner mikrobiologischen Doktorarbeit und dann seinen Übergang zum Tanz vor, indem er vorzeigt, wie er Tanzen lernte. Gelernt wird ein neues Alphabet des Körpers und das Verlernen, das Versagen gehören zu dieser Lecture-Performance. Oder vielleicht könnte man sie Lecture-„Afformance" nennen - um Werner Hamachers Begriff der gleichzeitigen Setzung und Entsetzung zu verwenden. Hamacher benennt als Afformativ die „Ermöglichung, die in keiner Form ihre Erfüllung finden kann, als Ermöglichung und Verunmöglichung, als Handlung und zugleich Nichthandlung: als Afformativ der Sprache" [21] . Der Afformativ ist „nicht aformativ, nicht die Negation des Formativen" [22] . Le Roys „Afformance" nimmt das Performative zurück, setzt und ent-setzt zugleich die Körper-Bilder, verunmöglicht, was sie ermöglicht, setzt aus, was sie voraussetzt.
Die Anamorphosen von Self Unfinished gelten auch nicht einfach dem Androgynen, und auch nicht nur dem Monströsen oder etwa Tier-Darstellungen, sie gelten mehr als einem Körper und zugleich keinem Körper mehr: denken wir an Derridas Definition der Dekonstruktion als plus d'une langue. Arbeitet Le Roys choreographische Dekonstruktion an der biologischen, sozialen, kulturellen Maschine, die sein Körper ist, so ist diese Arbeit auch linguistisch, ganz nach Hans Bellmers Körper-Sätzen, die es zu anagrammieren, umzustellen, umzukehren gilt. Und eine synästhetische Umkehrung wird als bewegtes Bild erst über den fehlenden Ton ‚sichtbar' - das „Hören öffnet die Augen":
„Das Stück beginnt, wenn ich zu einem Tonbandgerät im Raum gehe und auf den Startknopf drücke. Es kommt kein Ton, weil es keinen Sound im Stück gibt - aber die Leute sind durch diese simple Geste trotzdem auf Hören eingestellt. Dieses Hören öffnet auch die Augen. Die Wahrnehmung verfeinert sich." [23]
Der Sound aus dem Tonbandgerät kommt erst nach dem Knopfdruck am Ende der Inszenierung. Der szenische Klangkörper wird auch verstellt - er tut also, wovon im Song die Rede ist, mehrfaches Umstülpen: „Upside down, inside out" skandieren die Worte des bekannten Lieds von Diana Ross. Die Aus- und Einschaltungen, die Vor- und Rückwärtsgänge in Self Unfinished, deklinieren den Körperbau stets anders. So fällt der Körper immer neu aus dem Körper, das Denken immer neu aus dem Denken, anagrammatisch geschüttelt. So entzieht sich das Denken des Körpers wie der Körper des Denkens jeder syntaktischen Zugehörigkeit und Zuschreibung. Le Roy verfehlt virtuos die Codierung des Körpers. Und forciert das Vergnügen an der Verstellung.
First Night
Die anagrammatischen Desartikulationen jeder Ordnung als Versuchsanordnung werden auch in den Performances von Forced Entertainment oft von einer Aufstellung der Performer frontal zum Publikum markiert, die angefangene Geschichten immer neu auseinander- und zusammensetzen, als markierten sie eine stets umstellbare Buchstabenzeile.
Forced Entertainment: First Night, 2001. Photo: Hugo Glendinning
Dies passiert auch buchstäblich in der Inszenierung First Night (2001), wenn die Performer Lettern tragen und sie immer zu neuen Wörtern umstellen. Das ironische Potential, das ironisch Potentielle dieser Szene besteht nicht einfach im wörtlichen Spiel mit den Buchstaben, sondern im Oszillieren zwischen Buchstäblichem und Figurativem. Die von diesem Spiel etwas erschöpften Performer schalten immer wieder kurz aus (aus dem Wort ILLUSION, das aus den Buchstaben von allen Performern erst zustande kommt, bleibt nur ein ILL US übrig und dann nur ein I). Dann stellt sich einer mit seinem O vor ein N hin, und beide bilden ein ON, beide sind wieder - performativ - ON. Zugleich wird diese Performanz palindromatisch (d.h. vor- und rückwärts lesbar) gestrichen: Das ON/NO-Spiel der gebrochenen Worte, Versprechen und Herzen setzt wieder ein, um immer neu die lineare Ordnung der Referenz, der Repräsentation zu brechen. Aber unterbrechen wir die ON/NO-Spiele, die Ein-und Ausschaltungen von Ton, Bild, Präsenz, die auch bei Self Unfinished prägnant waren, um gleich wieder darauf zurückzukommen...
Splayed Mind Out
In der Tanz/Video-Performance der Choreographin Meg Stuart und des Videokünstlers Gary Hill Splayed Mind Out (1997) schreibt eine Tänzerin rückwärts auf ihren entblößten Rücken „hand", und diese Sequenz erscheint zugleich groß als Projektion. Rückwärts schreibt die Hand auch „on"/"no" auf die nackte Haut (und auf die ‘Haut' der Projektionsfläche), und dieses Palindrom, dieser vor- und rückwärts lesbare Schriftzug, läßt den Körper, der bloß als Projektionsfläche, als „on" mißbraucht wird, schrei(b)en: „no".
Meg Stuart/Gary Hill: Splayed Mind Out, 1997. Photo: Chris Van der Burght
Wo hört der Körper auf und gehört er einem? Diese aporetische Fragestellung wäre ein Modus für die Lektüre von Splayed Mind Out. Das anagrammatische Schwindeln und Schwinden der Körpergrenzen passiert hier im ‘konkreten' Theater ineinanderverschlungener Glieder und Projektionsflächen. Am Anfang liegt auf der Bühne ein ‚Oktopus' aus mehreren Körpern, als hätten sie ihre Glieder untereinander vertauscht. Kaum nachvollziehbar entwirrt sich dann die unheimliche Gestalt ‚ohne Hand und Fuß' (wörtlich und übertragen), indem Beine und Arme ihre Dar/Stellung fortdauernd anagrammatisch verstellen, um in vereinzelte Körper und Körperbilder zu zerfallen, und es folgen Szenen ihrer choreo-graphischen Übersetzung ineinander, die ab und zu als prekäre Aufgabe auch verbal thematisch wird. Der brüchige, zuckende (auch über die Lichtregie), fraktale Körper (auf) der Szene wird entsprechend durch Blackouts und Videoschnitte multipliziert. Wo gerade ein lebendiger Körper untertauchte, taucht ein virtuelles Körper-Bild auf und erst in der repetierten Fragmentierung und Überblendung dieses Vorgangs emanzipiert sich die live-Vorstellung von der virtuellen Vorstellung, der reale Körper von (s)einem Videobild.
Of Any If And
Alie/n a(c)tion
Die schnell auf- und niederfahrenden Schrifttafeln mit immer anderen Buchstaben- und Wortkombinationen in William Forsythes Choreographie mit dem dadaistisch anmutenden Of Any If And (1995) scheinen zu tanzen und anagrammatisch die Distanz zwischen den Wörtern, zwischen Worten und Orten auszuprobieren: Dis-Tanz als Suche nach möglichen Veränderungen des Bedeutungsraums. Als kinetisches Anagramm lassen sich oft auch die Bewegungsmuster seiner Choreographie lesen, die die tradierte Ballett-Syntax entstellen. Das Vokabular des klassischen Balletts wird über das Rekombinieren von Bewegungsabläufen anagrammiert. Ungewöhnliche Körperteile (beispielsweise die Schultern) setzen Impulse ein, die dem Körper weitergegeben werden und die Gravitation zu verlagern scheinen.
William Forsythe: Of Any If And, 1995
Am Ende von Forsythes Choreographie Alie/n a(c)tion (1992) wiederum liest ein Tänzer den Neologismus des Titels vor, buchstabiert ihn vor- und rückwärts und dann auch jeden der drei Wortteile oder deren einzelne Buchstaben verstellend. Diese anagrammatischen Versuche enttäuschen, sprengen jeden endgültigen Sinn. Und indem der Tänzer verbal die Buchstaben tanzen läßt, fängt er selbst an, sich minimal zu bewegen, neue Stellungen jedes Glieds auszuprobieren, als sei sein eigener Körper ein verstellbarer Schriftzug. Erst das Lesen bringt ihn so zum Tanzen, und das Tanzen wird zum Schreiben.
Nom donné par l'auteur
The show must go on
In Jérôme Bels erster Choreographie Nom donné par l'auteur (1994) [24] werden große Buchstaben auf die Bühne immer neu verstellt. So kombiniert die Choreo-Graphie aus den Lettern S, E, N, O unterschiedliche Wörter in unterschiedlichen Sprachen (in allen Himmelsrichtungen eben S/E/N/O: sud/east/nord/ouest) und zugleich NO SENSE, um am Ende über ihre Mehrsprachigkeit, über ihre ‚mehr als' und ‚keine Sprachlichkeit mehr' (plus d'une langue) jede auf Codierung konditionierte Lektüre des Szenischen ironisch zu destabilisieren: Eine nach allen Richtungen (sens) und in jedem Sinn (sens) disseminierte S(z)ENO-Graphie. Am Ende der Performance lautet die Schlußkonstellation der Buchstaben: FIN, buchstäblich „Ende" (das O ist im Profil zum I geworden und das E mit dem - von einem Wörterbuch! - verdeckten unteren Balken zum F). Während der ganzen Choreographie haben die zwei Performer statt mit Worten mit Gegenständen ‚kommuniziert'. Die Ökonomie des Tausches bricht da, indem die Gegenstände ohne Gegenstand - oder vielleicht doch? - einander und aufeinander treffen. Die Buchstäblichkeit (am Ende der Performance steht wörtlich das Wort ‚ENDE'), die wir aus den späteren Arbeiten von Bel so gut kennen, teilt nichts mit außer der Mitteilbarkeit selbst - um die Unheimlichkeit der Sprachlichkeit, der Mitteilung überhaupt gerade in nonsense zu dekonstruieren. Indem Bel dieser Arbeit den Titel Nom donné par l'auteur gibt, indem er der Arbeit also dies gibt, was laut Wörterbuch eben ein Titel ist, gibt er ihr mehr als einen und zugleich keinen Namen mehr: Eine Vorstellung, die zugleich zuviel und zuwenig gibt. Jérôme Bel buchstabiert virtuos das szenische Ver/Fehlen der Referentialität. Die Vakanz, das Auslassung, die Präsenz der Absenz verspricht sich hier unentwegt, sie verspricht sich in jedem Wortsinn. Sie verspricht sich auch anagrammatisch.
Jérome Bel, Nom donné par l'auteur, 2005
Auch in Jérome Bels The show must go on! (2000) lassen sich choreographische (und musikalische) Elemente immer anders rekombinieren, um ihre ironische Anagraphie immer anders zu verdichten. Zum Beispiel in der Szene voller Auslassungen mit dem pausierenden Singen und Tanzen zum Walkman, in der eine Zeile nach der anderen aus ganz unterschiedlichen Songs immer anders aneinander gereiht wird, was die Texte verbindet, ist die erste Person Singular/Plural. Oder eine andere Szene: beim Song I Like To Move It (Reel 2 Real, E. Morillo & M. Quashie) werden minimale Bewegungen fast nur eines einzigen, bei jedem Akteur eines anderen Körperteils ausgeführt: Zunge, Ellbogen, Finger, Hinterteil, Penis etc. In einer Reihe, frontal zum Publikum, bilden die Performer eine Zeile aus Bewegungshieroglyphen, eine jeder Zeit anagrammierbare Körper-Zeile von vereinzelten Körper-Lettern. Und einer bewegt den hinteren Vorhang. Ob sich der hintere Vorhang, das Hinterteil oder die Zunge bewegen, ist keiner Bedeutungshierarchie eingeschrieben. Der Körper wird zur Bühne, die Bühne zum Körper. Die hängende Zunge wird zum Vorhang, zum Anführungszeichen der Stimme, des Songs, der Vorhang zur ironisch ausgestreckten Zunge ins Gesicht der Bühne. Auftritt hat die lingua der Szene, ihre Sprache und Zunge zugleich, Auftritt hat der Körper der Sprache. Und Bels Arbeit The show must go on 2 (2004) ist explizit nach dem Prinzip des Anagramms konstruiert, das - so scheint es - den Imperativ des Titels erst ermöglicht, sei es als Überdeterminierung...
Jérome Bel, The show must go on!, 2000
PS.
...mit Ferdinand de Saussure und einigen anderen...
Als eine Art Überdeterminierung - gerade indem sie Überdeterminierung und Instabilität in die Szene der Sprache setzen - gelten selbst Ferdinand de Saussures Anagramm-Notizen (1907-1909), die vielleicht berühmteste Anagramm-Studie. 1971 gibt Jean Starobinski Les mots sous les mots: les anagrammes de Ferdinand de Saussure heraus, ein lang erwartetes Buch mit de Saussures Notizbüchern und Starobinskis Kommentaren. Es sind die Kommentare zu der wohl wichtigsten und zugleich skandalösesten Anagramm-Studie, die in den verschiedensten Zirkeln außerordentliche Aufmerksamkeit erregte, da sie für die Suspension der referentiellen Funktion in der Dichtung argumentiert, indem sie die Texte nach rein formalen Prinzipien untersucht. De Saussures umstrittene Hypothese von der anagrammatischen Materialität der lateinischen Dichtung, die als eine quer durch die Verszeilen kodierte Verstreuung eines zugrundeliegenden Namens oder Wortes strukturiert sei, ist für den vorliegenden Text von besonderer Signifikanz. Sind im Anagramm „die leitenden Silben zu erkennen und zu sammeln, wie Isis den zerstückelten Körper Osiris wieder zusammensetzte" [25] , so ist auch der fragmentarisierte szenische Körper dauernd neu zu konfigurieren, es gilt ihn widerhallen und sich im eigenen Echo zurücknehmen zu lassen - sofern die Anagramme „auf ein wenig bewußtes und gleichsam instinktives Vergnügen am Echo verweisen" [26] . Und bindet das anagrammatische Schriftbild „die Redeteile nicht mehr nur in die Linearität, sondern läßt sie nach allen Seiten ausstrahlen und Beziehungen untereinander knüpfen, welche die Logik der Satzstruktur durchbrechen könnten" [27] , so ruft das Anagrammatische die visuelle Eigenheit der Schrift ins Bild, so läßt es ihre rhizomatischen Verknüpfungen, ihre dekonstruktive „Verräumlichung" zu Wort kommen. Da figuriert jede Inschrift zugleich als Wort und als Bild, wie in Artauds Piktographie. Und zeitgenössischer Tanz und Performance, die oft mit Inskriptionen, Schrifttafeln, Buchstabenreihen arbeiten, legen gerade diese räumliche Dimension der Schrift, diese schriftliche Dimension des Raums offen.
Gibt de Saussures Anagrammtheorie den Ursprungszwang auf, indem sie vervielfältigte lettres sich immer neu ineinanderfalten läßt, so korrespondiert sie mit dem Denken der différance, mit jener „Schrift avant la lettre", jener „Urschrift ohne anwesenden Ursprung, ohne arche" [28] . Das Anagramm läßt sich als szenische Figur des Ana-Mimetischen statt des nur negativ Anti-Mimetischen denken, das Nachahmung nicht lediglich negiert, sondern sich selbst generieren läßt, ohne Nachgeahmtes, ohne Original, statt analog anagrammatisch. Auch Artaud wollte die Sprache von einem diskursiven Ursprung emanzipieren, der sich immer schon soufflieren, einsagen, einatmen läßt. Seine Glossolalien lassen so einen (Sprach)Körper außer Atem jenseits des Diskursiven entstehen.
Im Anagrammatischen geht es nicht um ein virtuoses Spiel der Vieldeutigkeit hin zur Beliebigkeit, sondern um das Ausharren in der referentiellen Unentscheidbarkeit, in der intentionalen Instabilität, ein Ausharren jenseits der Gegebenheit, diesseits der Möglichkeit. Der Akt des Verstehens wird beim Anagrammatischen durch die intentionale Instabilität suspendiert - eine buchstäbliche Sinnerschütterung, ein Beben der Bedeutungsebenen, eine stete Dekonstruktion, auch ganz buchstäblich. Nicht zufällig wird gerade in Paul de Mans Text über de Saussures Anagramme Hypogram and Inscription die dekonstruktive Prozedur als „determinated elimination of determination" [29] bezeichnet, oder - diesmal in Shelley Disfigured - als eine „performance of disfiguration" [30] . Denken wir hier an Meg Stuarts Disfigure Study ... aber auch an die Unabschließbarkeit - self unfinished - der hier möglichen choreographischen Beispiele wie der anagrammatischen Prozedur selbst: Deshalb auch die Unabschließbarkeit des ‚zu' im Untertitel dieses Textes.
Fußnoten:
[1] Hans Bellmer: „Kleine Anatomie des körperlichen Unbewußten oder Die Anatomie des Bildes", in: ders.: Die Puppe, : Berlin: Gerhardt Verlag 1962, S. 158.
[2] Zum Begriff des „anagrammatischen Körpers" in Le Roys Self Unfinished auch in bezug auf Bellmer und Artaud vgl. Krassimira Kruschkova: „Actor as/and Author as ‚Afformer' (as Jérôme Bel as Xavier Le Roy)", Frakcija 2001; Kruschkova, Krassimira „Szenische Anagramme: Zum Theater der Dekonstruktion." TheaterKunstWissenschaft. Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2004, S. 229-238.
[3] Jacques Derrida: Mémoires. Für Paul de Man, Wien: Passagen 1988, S. 31.
[4] Antonin Artaud: Schluß mit dem Gottesgericht. Das Theater der Grausamkeit. Letzte Schriften zum Theater, München: Matthes & Seitz 1980, S. 34.
[5] Vgl. Antonin Artaud: „Le théâtre de la cruauté", in: 84, Paris 1948, Heft 5-6, S. 101. Übersetzung zit. nach: Jacques Derrida: „Die soufflierte Rede", in: ders.: Die Schrift und die Differenz, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1972, S. 288.
[6] Xavier Le Roy, zit. nach Helmut Ploebst: „Das Labor des Dr. Le Roy", in: Falter, Nr. 18, 1999, 5. Mai, S. 22.
[7] Jacques Derrida: „Die soufflierte Rede", in: Jacques Derrida: Die Schrift und die Differenz, Frankfurt a. M. 1972, S. 289.
[8] Antonin Artaud: Das Theater und sein Double, Frankfurt a. M. 1979, S. 15.
[10] Xavier Le Roy: „Bin ich ein Insekt? Bin ich ein Mensch?" Ein Gespräch geführt von Eva Karchner, in: Die Zeit, Nr. 36, 1999.
[11] Kleist, Heinrich von. „Über das Marionettentheater." Sämtliche Werke und Briefe. Bd. 2. München, 1993. S. 342.
[12] Paul de Man: "Ästhetische Formalisierung: Kleists Über das Marionettentheater", in: Paul de Man: Allegorien des Lesens, Frankfurt a.M. 1988.
[14] Vgl. dazu Brandstetter, Gabriele. „Still/Motion: Zur Postmoderne im Tanztheater." Bewegung im Blick. Beiträge zu einer theaterwissenschaftlichen Bewegungsforschung. Hg. Claudia Jeschke und Hans-Peter Bayerdörfer. Berlin: Vorwerk 8, 2000, S. 122-136; sowie: Lepecki, André. „Still:On the Vibratile Microscopie of Dance." ReMembering the Body, Ed. Gabriele Brandstetter und Hortensia Völkers. Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 2000. S. 334-366.
[15] Vgl. dazu Krassimira Kruschkova (Hg.): Ob?scene. Zur Präsenz der Absenz im zeitgenössischen Tanz, Theater und Film, Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2005. Vgl. dazu auch das gerade erschienene bemerkenswerte Buch von Gerald Siegmund Abwesenheit. Eine performative Ästhetik des Tanzes, Bielefeld: transcript 2006.
[16] Xavier Le Roy in: „Das Labor des Dr. Le Roy", l. c..
[18] Heiner Müller: „Herakles 2 oder Die Hydra", in: Frank Hörnigk (Hg.): Heiner Müller Material. Texte und Kommentare, Leipzig 1989, l.c., S. 76f.
[19] Paul de Man: "Ästhetische Formalisierung: Kleists Über das Marionettentheater", l. c., S. 227.
[20] Chiasmus [gr.-nlat.; vom griechisch. Buchstaben Chi = χ (= kreuzweise)]: kreuzweise syntaktische Stellung von aufeinander bezogenen Wörtern od. Redeteilen (z. B. groß war der Einsatz, der Gewinn war klein; Rhet.; Stilk.); Gegensatz: Parallelismus.
[21] Hamacher, Werner. „Die Geste im Namen. Benjamin und Kafka." Entferntes Verstehen: Studien zu Philosophie und Literatur von Kant bis Celan. Frankfurt a.M.: Suhkamp 1998, S. 323.
[22] Hamacher, Werner. „Afformativ, Streik." Was heißt „Darstellen"? Hg. Christiaan L. Hart Nibbrig. Frankfurt a. M.: Suhkamp, 1994, S. 346/360. Hamacher präzisiert weiter seinen Neologismus und lässt ihn „die Konstitution der Sprache selber" denken, die „nicht nur ein Sprachakt unter anderen, sondern der Performativ, der par exellence ist und dennoch, seiner Vor-Struktur, seiner Bedeutungsfremdheit und seiner möglichen Figuralität wegen, suspendiert bleiben muß und alle dependierenden Performativa suspendiert hält", die dann „nicht mehr einfach als Performativ, sondern als dessen Formations-Bedingung und als „Entsetzung" gedacht werden (vgl. Hamacher, Werner. „Lectio: De Mans Imperativ." Entferntes Verstehen, l. c., S. 190. Fußnote 14). Vgl. dazu - in bezug auf das Theater - Lehmann, Hans-Thies. Postdramatisches Theater, Frankfurt a.M.: Verl. D. Autoren 1999, S. 459-461.
[23] Xavier le Roy in: „Bin ich ein Insekt? Bin ich ein Mensch?", l. c..
[24] Gibt Bel später seinen eigenen Namen seiner Inszenierung „Jérôme Bel" (1995), so gibt er sich in „Xavier Le Roy" (2000) als Autor/Regisseur aus, indem er jedoch Xavier Le Roy das Konzept entwerfen und inszenieren läßt: Theaterpraktiken eines autorlosen Schwindels, die die Frage nach der Urheberschaft angeblich unerheblich, jedoch um so wesentlicher werden lassen.
[25] Starobinski, Jean: Wörter unter Wörtern. Die Anagramme von Ferdinand de Saussure, Frankfurt a. M. 1980.
[27] Aage A. Hansen-Löve: „Velemir Chlebnikovs Onomatopoetik. Name und Anagramm", in: Renate Lachmann / Igor P. Smirnov (Hg.): Kryptogramm, Zur Ästhetik des Verborgenen. Wiener Slawistischer Alamanach, Bd. 21 1988.
[28] Jacques Derrida: „Die différance", in: Jacques Derrida: Die Schrift und die Differenz, Frankfurt a. M. 1972, S. 41.
[29] Paul de Man: „Hypogram and Inscription", in: Paul de Man: The Resistance to Theorie, Mineapolis/London 1993, p.43.
[30] Paul de Man: „Shelleys Entstellung", in: Paul de Man: Die Ideologie des Ästhetischen. Frankfurt a. M.. 1993.
(25.10.2006)