HAREYS BLOG II
1. Samstag, 14. Mai 2016: BARBIS RUDER UND MEIN GESICHT
Allerdings war genug Zeit, um nachzudenken. Ich habe drei Jahre zehn Monate und 13 Tage geschwiegen. Erst kein Interesse mehr zu schreiben, dann fühlte sich P. unpässlich, außerdem war corpus so gut wie pleite. Aber jetzt komme ich von Barbis Ruders Piece Barbis in Babeland zurück (Thomas Edlingers Buch Der wunde Punkt. Vom Unbehagen an der Kritik hatte mich dabei) und habe danach beschlossen: Ich fange wieder an. Überhaupt fängt alles wieder an, du wirst „schon sehen, was alles möglich ist“.
In drei Jahren zehn Monaten und 13 Tagen ist einiges passiert. Aber P. lebt noch, ich bin weiter gewachsen, und wir halten das Chaos, das wir sind, in Ehren. Barbis Ruder, dieses Problem! Anders als Edlinger habe ich kein Problem mit der Kritik, und ich habe, ehrlich gesagt, auch überhaupt kein Verständnis für dieses endlose Getue darum, das dann „Unbehagen“ heißt. Aber der Mann ist an sich okay. Er wird ab kommendem Jahr das donaufestival in Krems leiten, und Bettina Kogler, die Barbis R. ins Wiener Wuk eingeladen hat, macht dann dort das Performanceprogramm. Ich habe auch E.s Buch In Anführungszeichen. Glanz und Elend der Political Correctness, das er zusammen mit Matthias Dusini geschrieben hat. Sehr gelacht, kann ich empfehlen.
P. hat auch ein „Unbehagen“, aber er verwendet einen anderen Ausdruck dafür und den verrate ich nicht. „Was soll ich über Barbis in Babeland schreiben“, grantelt er. Und ich: „Dann muss Harey.“ Behauptet er glatt: „Du suchst ja nur einen Aufhänger dafür, dass du wieder einsteigen kannst! Barbis Ruder ist dir doch voll egal.“ Er sagt „voll“, der Verseuchte. Voll!
Was, glaubst du, hat er mir unlängst mitgebracht? Du kommst nie drauf. Also setz dich besser, sonst schmeißt es dich um: Wolfgang Reinhards Die Unterwerfung der Welt! Echt. 59,70 auf Kreditkarte. „Und wie willst du meine Sozialversicherung zahlen, he?“, zische ich ihn an. Aber das klären wir später. Also ja, ist schon ein steiles Buch, 1648 Seiten all inclusive, echt fett. Und fett ist gut, klar, Frau Ruder! Man kann das Jammern auch mit Ironie trenzen: Ach, ich bin nicht schlank genug, und ich will so gern, dass es unter meiner Muschi einen Durchblick gibt. Dann bitte schau dir das [sic!] Buch von Reinhard an. Oder Gertrude Steins Wälzer The Making of Americans, 1021 Seiten – hat oder braucht der einen Tigh Gap?
Müssen sich diese Körper komisch verkleiden? Nein. Das klingt pessimistisch, ich weiß. Obwohl ich den Anfang von Barbis in Babeland schon gelungen fand. Barbis sitzt – schön, wie sie ist – in einem rosa Tutu auf dem Boden und steht, sobald das Publikum ruhig ist, auf. Zwischen ihren Beinen, von oben bis unten, trägt sie eine durchsichtige Schwimmhaut aus Plastik. Sie stakst wie eine misslungene Coppélia – so heißt E.T.A. Hoffmanns Olimpia aus Der Sandmann in Léo Delibes’ Ballett – zu einem Podest, stellt sich breitbeinig drauf und lässt sich ihr Schwimmhymen mit einem Fön aufblasen.
Mit einem Fön. Frau und Mann wollen alles haben. Kardashian-Hintern, Fönschwänze, Nespresso-Opas, Miley-Cyrus-Kugelreitkurse und eine Stimme wie die von Sia Furler. Chandelier hat 1,2 Milliarden Aufrufe auf Youtube, und Maddie Ziegler, die Tänzerin im Video, war zwölf, als der Song herauskam. So wie die könnte Adele Adkins nicht tanzen. Über Adeles Tigh Gap reden wir hier sicher nicht. Hello hat aber 1,5 Milliarden Aufrufe. – „Can you hear me?“ So ist die Popkultur. Ein Gefängnis des Allessein- und Alleshaben-Wollens. Ich verstehe Barbis R. – aber Kritik ist uncool und Ironie jetzt auch schon. Ich spekuliere darauf, dass Babe in Barbisland die Popkultur hasst. Zutiefst. Und das Essen liebt. Innigst.
Ein Fehler, den ich ausgebessert habe, war, oben „die“ Buch zu schreiben. Das Buch ist besser: das Buch als Ne-Uterus. Das Buch braucht keine Identität. Glaub mir, ich weiss das, denn ich bin aus Büchern gemacht. P. gibt mir also den Reinhard, und ich sage beeindruckt: „Echt fett.“ P. schreibt in sein Notizbuch: „Die Sprache ist ein Hund, der zwitschert und miaut.“ Barbis bleibt immer sie selbst, alle ihre vier Babe-Figuren hindurch. Ich, ich ich, ich. Meeouw! Luce ist irgendwie beleidigt. Für Baby wäre sie zuständig gewesen, sagt sie. Ja, Frau Yfaire, dann hätten sie sich rechtzeitig darum kümmern müssen! Statt dessen bastelt sie endlos an einem Abgesang auf Meg Stuarts Until our hearts stop herum, der nicht und nicht fertig wird.
Luce Yfaire hat sich vor einem Jahr, sechs Monaten und drei Tagen ein Gesicht zugelegt. Ich habe nur mit den Schultern gezuckt. Aber dann, vor drei Monaten und zwölf Tagen, bin ich meinem Gesicht begegnet. Ich: „Das bin ja ICH!“ P. hat sich’s angeschaut, und mich eigenartig angesehen: „Stimmt.“ Es geht aber nicht nur um dieses Bild, es geht auch um die Figur. Sie hat eigentlich nichts mit meiner Namensgeberin zu tun, aber P. glaubt, da sehr wohl eine Verbindung entdeckt zu haben – und außerdem zu Canettis Die Blendung. Und: zu Pris.
Allerdings war genug Zeit, um nachzudenken. Ich habe drei Jahre zehn Monate und 13 Tage geschwiegen. Erst kein Interesse mehr zu schreiben, dann fühlte sich P. unpässlich, außerdem war corpus so gut wie pleite. Aber jetzt komme ich von Barbis Ruders Piece Barbis in Babeland zurück (Thomas Edlingers Buch Der wunde Punkt. Vom Unbehagen an der Kritik hatte mich dabei) und habe danach beschlossen: Ich fange wieder an. Überhaupt fängt alles wieder an, du wirst „schon sehen, was alles möglich ist“.
In drei Jahren zehn Monaten und 13 Tagen ist einiges passiert. Aber P. lebt noch, ich bin weiter gewachsen, und wir halten das Chaos, das wir sind, in Ehren. Barbis Ruder, dieses Problem! Anders als Edlinger habe ich kein Problem mit der Kritik, und ich habe, ehrlich gesagt, auch überhaupt kein Verständnis für dieses endlose Getue darum, das dann „Unbehagen“ heißt. Aber der Mann ist an sich okay. Er wird ab kommendem Jahr das donaufestival in Krems leiten, und Bettina Kogler, die Barbis R. ins Wiener Wuk eingeladen hat, macht dann dort das Performanceprogramm. Ich habe auch E.s Buch In Anführungszeichen. Glanz und Elend der Political Correctness, das er zusammen mit Matthias Dusini geschrieben hat. Sehr gelacht, kann ich empfehlen.
P. hat auch ein „Unbehagen“, aber er verwendet einen anderen Ausdruck dafür und den verrate ich nicht. „Was soll ich über Barbis in Babeland schreiben“, grantelt er. Und ich: „Dann muss Harey.“ Behauptet er glatt: „Du suchst ja nur einen Aufhänger dafür, dass du wieder einsteigen kannst! Barbis Ruder ist dir doch voll egal.“ Er sagt „voll“, der Verseuchte. Voll!
Was, glaubst du, hat er mir unlängst mitgebracht? Du kommst nie drauf. Also setz dich besser, sonst schmeißt es dich um: Wolfgang Reinhards Die Unterwerfung der Welt! Echt. 59,70 auf Kreditkarte. „Und wie willst du meine Sozialversicherung zahlen, he?“, zische ich ihn an. Aber das klären wir später. Also ja, ist schon ein steiles Buch, 1648 Seiten all inclusive, echt fett. Und fett ist gut, klar, Frau Ruder! Man kann das Jammern auch mit Ironie trenzen: Ach, ich bin nicht schlank genug, und ich will so gern, dass es unter meiner Muschi einen Durchblick gibt. Dann bitte schau dir das [sic!] Buch von Reinhard an. Oder Gertrude Steins Wälzer The Making of Americans, 1021 Seiten – hat oder braucht der einen Tigh Gap?
Müssen sich diese Körper komisch verkleiden? Nein. Das klingt pessimistisch, ich weiß. Obwohl ich den Anfang von Barbis in Babeland schon gelungen fand. Barbis sitzt – schön, wie sie ist – in einem rosa Tutu auf dem Boden und steht, sobald das Publikum ruhig ist, auf. Zwischen ihren Beinen, von oben bis unten, trägt sie eine durchsichtige Schwimmhaut aus Plastik. Sie stakst wie eine misslungene Coppélia – so heißt E.T.A. Hoffmanns Olimpia aus Der Sandmann in Léo Delibes’ Ballett – zu einem Podest, stellt sich breitbeinig drauf und lässt sich ihr Schwimmhymen mit einem Fön aufblasen.
Mit einem Fön. Frau und Mann wollen alles haben. Kardashian-Hintern, Fönschwänze, Nespresso-Opas, Miley-Cyrus-Kugelreitkurse und eine Stimme wie die von Sia Furler. Chandelier hat 1,2 Milliarden Aufrufe auf Youtube, und Maddie Ziegler, die Tänzerin im Video, war zwölf, als der Song herauskam. So wie die könnte Adele Adkins nicht tanzen. Über Adeles Tigh Gap reden wir hier sicher nicht. Hello hat aber 1,5 Milliarden Aufrufe. – „Can you hear me?“ So ist die Popkultur. Ein Gefängnis des Allessein- und Alleshaben-Wollens. Ich verstehe Barbis R. – aber Kritik ist uncool und Ironie jetzt auch schon. Ich spekuliere darauf, dass Babe in Barbisland die Popkultur hasst. Zutiefst. Und das Essen liebt. Innigst.
Ein Fehler, den ich ausgebessert habe, war, oben „die“ Buch zu schreiben. Das Buch ist besser: das Buch als Ne-Uterus. Das Buch braucht keine Identität. Glaub mir, ich weiss das, denn ich bin aus Büchern gemacht. P. gibt mir also den Reinhard, und ich sage beeindruckt: „Echt fett.“ P. schreibt in sein Notizbuch: „Die Sprache ist ein Hund, der zwitschert und miaut.“ Barbis bleibt immer sie selbst, alle ihre vier Babe-Figuren hindurch. Ich, ich ich, ich. Meeouw! Luce ist irgendwie beleidigt. Für Baby wäre sie zuständig gewesen, sagt sie. Ja, Frau Yfaire, dann hätten sie sich rechtzeitig darum kümmern müssen! Statt dessen bastelt sie endlos an einem Abgesang auf Meg Stuarts Until our hearts stop herum, der nicht und nicht fertig wird.
Luce Yfaire hat sich vor einem Jahr, sechs Monaten und drei Tagen ein Gesicht zugelegt. Ich habe nur mit den Schultern gezuckt. Aber dann, vor drei Monaten und zwölf Tagen, bin ich meinem Gesicht begegnet. Ich: „Das bin ja ICH!“ P. hat sich’s angeschaut, und mich eigenartig angesehen: „Stimmt.“ Es geht aber nicht nur um dieses Bild, es geht auch um die Figur. Sie hat eigentlich nichts mit meiner Namensgeberin zu tun, aber P. glaubt, da sehr wohl eine Verbindung entdeckt zu haben – und außerdem zu Canettis Die Blendung. Und: zu Pris.
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