Vom Genie zum Kontrollorgan

ANMERKUNGEN ZU EINIGEM #2

Von Esther Veils

Im Radio hörte ich einen „Vertreter“ (? – es ist fraglich, wie die Person zu diesem Posten kam) der Künstlerschaft. [1] Er sprach darüber, wie notwendig es sei, dass die Künstler in Zeiten wie diesen (konkret: anlässlich des Ergebnisses der Nationalratswahl 2017 in Österreich) Stellung bezögen. Und ich kann nicht umhin, mich zu fragen, weshalb. Wann hat sich der Wandel des Künstlerbildes vom reinen – wenn auch gelegentlich wahnsinnigen – Genius zum Wachhund der Politik vollzogen?

 

Beide Bilder sind gleichermaßen kurios. Im ersten Fall wird postuliert, dass die Begabung des Künstlers etwas Besonderes sei und von größerem Wert als jene eines auf anderen Gebieten begabten Menschen, während gleichzeitig die Wertschätzung gegenüber Künstlern eine recht zweischneidige Sache ist und teilweise durchaus mit ihrem wirtschaftlichen Erfolg im Zusammenhang steht. Im zweiten Fall stellt sich die Kunst ebenso an den Rand, wenn nicht gar außerhalb des gesellschaftlichen Geschehens.


Der Künstler weiß also, was politisch richtig ist, wie das Genie ist er eine letzte Instanz, die uns den (rechten) Weg zeigt, mag sie ihn nun selbst beschreiten oder nicht. Offenbar ist die Vorstellung, ein kunstschaffender Mensch könnte rechtem Gedankengut zugetan sein, unmöglich. Folglich kann Kunst heute auch anhand ihrer politischen Aussage beurteilt werden – zumindest kann der, der sich weigert, eine solche zu treffen oder etwa gar kein Interesse daran hat, wohl auch kein Künstler sein.

 

Die Richtung dieses demagogischen Anspruchs ist letztlich genau dem entgegengesetzt, was sie fordert, und schnürt den Künstler in ein politisches Korsett, bedient sich desselben Mittels der Ausgrenzung, das dem „Gegner“ so vehement angekreidet wird: die politische Gesinnung des Künstlers ist selbst ein Politikum.

 

Was würden Sie sagen, wenn ein Sprecher der Bäckerinnung verkündete, es sei an der Zeit, dass die Bäcker politisch Stellung bezögen? Würden Sie das ernst nehmen? Und wenn nicht, was ist dann der Unterschied zwischen den Bäckern und den Künstlern? Die Antwort auf diese Frage interessiert mich sehr.

Anmerkung:

  1. ^ Ich bekenne, den Namen des Mannes nicht memoriert zu haben, er tut aber auch nichts zur Sache; und mit Vertreter meine ich mithin Vertreter einer Spezies, keinen Abgeordneten.

 

(15.3.2018)