Ich bin die Superlativste!

ANMERKUNGEN ZU EINIGEM #3

Von Esther Veils

Ich bin nämlich die bestausgestattetste, vollstgeeignetste, allerhäufigst öfteste und überhaupt extremst äußerstordentlichste äh – ja. Bloß was?

 

Dass Wörter der Erosion unterliegen, wissen wir; ausgewaschen vom zum Sprechen nötigen Speichel, werden sie immer dünner und scheinen schließlich ihren Geschmack verloren zu haben. Vor allem betrifft dies den Bereich des Abstrakten. Es kommen zwar gelegentlich poetische Umschreibungen oder Ersatzwörter für Gegenständliches auf, aber Wasser ist nun einmal Wasser, und kaum jemand wird auf den Gedanken kommen, unser Wort dafür sei abgenützt, und es müsse ein frischeres her.

 

Unter den abstrakten Wörtern gibt es solche wie Liebe, die ständig großem Verschleiß ausgesetzt sind und dennoch kaum ausgemustert werden können. Diese müssen wir uns ständig neu erfinden, sie mit unseren eigenen Gedanken und Gefühlen erfüllen, damit sie munter und uns treu bleiben, ohne dass ihnen die Luft oder uns die Lust ausgeht. Und andere, meist weniger große oder bedeutsame, können nahezu beliebig von neuen Begriffen verdrängt werden – wo früher lateinische Lehnwörter oder französische Ausdrücke gut waren, ist es heute vielfach das Englische, das unsere sprachliche Gastfreundschaft auch manchmal über Gebühr in Anspruch nimmt, was nicht nur auf das Internet zurückzuführen ist. Wir sind halt Cosmopolitans, das kann man liken oder nicht, es sind die facts.

 

Aber davon wollte ich doch gar nicht sprechen! Wie schon der Anfang zeigt, geht es um eine weitere Form der Erosion, die letztlich ein Kind unserer Gier nach Rekorden sowie des Wettbewerbs ist, der seine Finger nach allem ausstreckt, was auch nur irgendwie bewerbbar ist. Die tollen Shows und coolen Schnäppchen geraten in Ausdrucksnot, da es eben nicht leicht ist, dem Publikum deutlich zu machen, man sei besser als die Beste, größer als der Größte, oder gar billiger als das Billigste…

 

Also werden Wortformen erfunden, die in verschiedener Weise eine Überhöhung des Superlativs suggerieren. Begonnen hat dies schon vor langer Zeit, vermutlich als Folge einer verständlichen Verwischung: Der doppelte Superlativ, wie im obigen „bestausgestattetste“, ist zumindest im Sprachgebrauch der Wiener schon geraume Zeit verankert. Das Konstrukt zerfällt jedoch, wenn man seine beiden Teile separiert und nachfragt, was ein „ausgestattester“ Mensch denn trägt.

 

Die zweite Methode nimmt ein Wort her, das schon in seiner Grundform Ultimatives ausdrückt, und drängt ihm den Superlativ auf. Allerdings und immerhin gibt es dabei offenbar Regeln zu beachten: In den Sportnachrichten höre ich häufig, ein Schiläufer sei „extremst gut“ gefahren, nie aber, seine Leistung sei „extrem bestens“ gewesen. Dafür aber kann man auch, um ein außerordentlich perfektes – eben das ultimativste – Ergebnis zu erzielen, zwei solcher Grenzwörter kombinieren, und schon hat man das finalste Limit erreicht, die Unendlichstkeit.

 

Das führt mich zu meinem Schlussplaydohyer, da der Fall nun zureichendst untermauert ist. Unsere Sprache hält dem steigenden Druck der Exzellenz nicht mehr lange Stand. Wie andere Gebäude auch bedarf sie der Sicherung, die in dieser Angelegenheit recht einfach anzubringen ist: Die Grammatik muss ergänzt werden durch einen Hyperlativ – und wenn selbst der nicht mehr genügt, den Ultralativ. Wie sie gebildet werden mögen, ist selbstverständlich durch Fachgremien zu bestimmen, die jedoch möglichst ehebaldigst zusammentreten sollten, wenn wir noch ein paar Jahre durchkommen wollen. Danke.

 

(21.4.2018)