Vernichtung eines Theaters

KLAUS ALBRECHT SCHRÖDER WILL BRUT WIEN AUS DEM KÜNSTLERHAUS JAGEN

Von Helmut Ploebst

Was Klaus Albrecht Schröder will, das weiß er meist auch durchzusetzen. Der Kunsthistoriker übernahm 1999 die Leitung der Wiener Albertina und schaffte es, aus diesem besonderen Haus mit seiner einzigartiken Grafiksammlung einen der typischen Nullachtfünfzehn-Kunsttanker zu machen, die nichts weiter repräsentieren als die Hybris eines globalisierten Kulturmarketings. Selbstverständlich ist solch ein kapitaler Tempel gut besucht, weil sich seine Leitung vor allem mit einer Mischung aus Hype (Dürer), Historie (Poussin bis David) und Glitzerglanz (Welten der Romantik) Aufmerksamkeit verschafft.

 

Zu Schröders ebenso irritierenden Aktivitäten gehörten bisher freihändiges Ausführen von Kulturgütern zu Verleihzwecken und Vandalismus an fünf Schiele-Blättern durch Bleichen und Zurechtschneiden. Als Vertreter eines neoliberalen Kulturstablishments, das unter Kunst nur selten etwas anderes versteht als eine Marke zum Zweck der Spekulation, sieht sich der Kunsthistoriker auf Augenhöhe mit schwerreichen „Kunstsammlern“. In den Sumpf der Vereinnahmung von Kunst durch Potentaten, Banken, Versicherungen und Konzerne geriet Schröder bereits, als er 1988 die Leitung des Kunstforums der Länderbank, heute Bank Austria Kunstforum, übernahm.

 

Im Moder der Moderne

 

Dreißig Jahre später tut er sich nun mit dem Industriellen Hans Peter Haselsteiner zusammen, um ein Wiener Theater zugrundezurichten. Die Geschichte: Haselsteiner erwarb einen 74-prozentigen Eigentümeranteil am Künstlerhaus am Karlsplatz, nachdem er 60 Prozent der Kunstsammlung des Baumax-Pleitiers Karlheinz Essl übernommen hatte. Da das Essl-Museum in Klosterneuburg 2016 geschlossen wurde, brauchte es Platz für den umfangreichen Kunstschatz. 2018 schenkte die Familie Essl die restlichen 40 Prozent ihrer Sammlung der Albertina, und Haselsteiner vergab dem Museum seinen Anteil als „Dauerleihgabe“ bis 2044.

 

Das Künstlerhaus mit seiner Ausstellungstätigkeit, einem Kino und – seit Mitte der 1970er Jahre – dem Theater hatte in dieser Anlage das Potential für eine hoch zeitgemäße multidisziplinäre Institution. Dieses Potential wurde nie wirklich genutzt: Theater, bildende Kunst und Film blieben getrennt unter einem Dach. Schröder, der augenscheinlich Lichtjahre von einem zeitgenössischen Kunstzugang entfernt ist und mit Stolz die Eröffnung seiner Dependance im Künstlerhaus unter dem antiquierten Label „Albertina modern“ am 12. März 2020 verkündet, scheint blind zu sein für den Gewinn künstlerischer Synergien.

 

Spekulation oder Zukunft

 

Anstatt nun das ohnehin kooperationsbewusste Brut Theater – ehemals dietheater Künstlerhaus – in sein Konzept zu integrieren und Hans Peter Haselsteiner plausibel zu machen, dass Gegenwartsperformance, -tanz und -theater hervorragend mit gleichwelcher künftiger Ausstellungstätigkeit korrespondieren würden, will Klaus Albrecht Schröder nun die Räumlichkeiten des Brut der „Albertina modern“ einverleiben. Haselsteiner selbst mag Erfahrungen als „Kunstinvestor“ haben, von der Kunst unserer Zeit weiß er wohl nicht so viel. Bedauerlich ist dabei, dass er unter dem Einfluss des Hochglanz-Museumsmanagers nun in Sachen Künstlerhaus so wenig innovativ vorgehen wird wie er’s in seinem Wirtschaftsimperium sicherlich nie tun würde.

 

Für ein tatsächlich zukunftsweisendes Haus müßten sich Norman Shetler, Leiter des Stadtkinos im Künstlerhaus, Brut-Intendantin Kira Kirsch und Schröder eben zusammensetzen und auf Augenhöhe diskutieren, wie künftige künstlerische Kooperationen unter einem Dach aussehen könnten, gemeinsame – teils auch getrennte – Projekte entwickeln und so zusammen nicht zuletzt eine spezielle Publikumsstruktur gewinnen. Das wird wahrscheinlich nicht passieren. Im Gegenteil. Schröder und Haselsteiner werden wohl versuchen, die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, die ein interdisziplinäres Vorhaben sehr gut verstehen könnte, aus dem Projekt möglichst herauszuhalten. Haselsteiner ist Unternehmer, Schröders Haus gehört zu den Bundesmuseen. Über den Mietvertrag des Theaters entscheidet Haselsteiner ganz allein. Seinetwegen muß das Brut seit etlichen Saisonen an wechselnden Spielorten als Pop-Up-Theater auftreten, was ganz nach einer bewußten Strategie aussieht, mit der das Brut aufgerieben werden sollte.

 

Schweigen bis zur Zufriedenheit

 

Wien hat da nur wenig mitzureden, auch wenn ein Rausschmiß des Brut, für den dessen Geschäftsführer Richard Schweitzer mitverantwortlich gemacht werden könnte, ein finanzielles Problem vor allem für die Kulturabteilung sein wird. Schweitzer und Kirsch, die bereits – eine unvergessliche Fehlentscheidung – ihre Dependance im Konzerthaus aufgegeben haben, wehren sich auffällig halbherzig. In etwa so halbherzig, wie dieses Jahr die Neugründung des Theaters als dietheater 1989 und der Dreißiger des Imagetanzfestivals gefeiert wurden. Man könnte beinahe den Eindruck gewinnen, dass der Intendantin und ihrem Geschäftsführer gar nicht so wahnsinnig viel an diesem Haus liegt.

 

Aus der freien Wiener Theater- und Tanzszene, der das Theater immerhin gewidmet ist, oder ihrer Vertretung IG Freie Theater kommt kein Kommentar zu der wahrscheinlichen Delogierung. Eine ganz normale Wiener Situation: Wenn es extrem beunruhigend wird, regiert eben durch, wer gerade das Sagen hat. Kaup-Hasler teilt der Tageszeitung Der Standard mit, es werde demnächst eine „Lösung zur Zufriedenheit aller“ geben. Das klingt nicht nach der Aussicht auf einen großen Wurf, sondern nach einem bereits fixierten Hinauswurf. Und damit nach einer Lose-Lose-Situation. Schröder und Haselsteiner stehen dann mit ihrer frisch aufgeputzten „Albertina modern“ reichlich provinziell da, zumal das Label ohnehin von der Londoner „Tate Modern“ abgekupfert ist. Das Brut seinerseits verliert seinen exzellent gelegenen und bespielbaren Raum endgültig und könnte in absehbarer Zeit verschwinden.

 

(26. 10. 2019)