Der Dialog, die Fortsetzung
FÜR JACK HAUSER ANLÄSSLICH DER VERLEIHUNG DES GOLDENEN EHRENZEICHENS FÜR VERDIENSTE UM DAS LAND WIEN
Jack Hauser erinnerte sich kürzlich (November 2022) in einem Gespräch im Café Eiles, dass wir uns gänzlich anders und zugleich in ähnlicher Geste mit Theater beschäftigen. Meine theaterwissenschaftliche und theaterhistoriographisch informierte Perspektive, mein Insistieren auf eine eigensinnige Existenz des Theaters trafen am Beginn unseres Dialogs auf Jacks Fluxus-Vorstellung, Theater ohne Theater zu denken und, wenn das ein/kein Widerspruch ist, einen Raum, der Nicht-Nicht-Theater ist, einen dritten Raum also, in seiner Fokussierung – ich zitiere Jack – nach vorne und ‚magisch‘ zu denken. Unser über Jahre fortgesetzter Dialog erfährt nun eine (Wieder-)Veröffentlichung. 2014 schreibt er in Dokument, einem Briefwechsel mit schnellen Sätzen von David Ender, Sabina Holzer, Jeroen Peeters, Helmut Ploebst, Andreas Spiegl, Marcus Steinweg, ihm selbst und mir:
„Die Kunst der Performance passiert an der Grenze des Bestimmten und radikalisiert sich durch Entzug und Wildheit. Wenn es überall um Performance geht, DANN gilt es sich darum zu kümmern, dass die Performance als Kunst spezifisch unbestimmt bleibt. Die Kunst der Performance öffnet einen dritten Raum, der nicht die gemeinsame Schnittmenge zwischen Darstellender Kunst und Bildender Kunst ist, sondern eine involvierte Durchdringung von Welt herstellt.“ – Und: APROPOS: DER KÖRPER IST DAS AUSGESTÜRZTE.
Jack Hauser hat die Frage nach Raum, Körper und performativer Präsenz nicht nur im engeren Sinn für das Theater, sondern für die Vorstellung von Welt überhaupt in seinem Oeuvre, in wahrlich intellektueller, künstlerischer und kluger Denk-, Sprech-, Seins- und Schreibweise berührt, austariert und verhandelt: Sein wunderbares Oeuvre zeugt außerdem von seiner langjährigen Partnerschaft mit Objekten, mit denen er in der Wohnung Miryam van Doren gelebt hat, einfach so, ohne große Behauptung, und doch bezogen auf die ihm buchstäblich lieben Referenzen, sei es beispielsweise Joseph Beuys, sei es seine Sozialisierung mit Volkskunst wie kleinen Tabernakeln mit Zähnen seines Opas, Hubertushirschen oder anderen Devotionalien, seien es Sci-Fi Welten eines Fantômas, Formeln oder Zaubersätze, die alle erinnert werden wollen. Gegenwärtig ist vieles in seinem Oeuvre avant la lettre, wenn man an die mehr-als-menschlichen Konstellationen in der gegenwärtigen Theoriebildung denkt (Donna Haraway, Karen Barad beispielsweise). Eine prägnante Formel sei hier in all ihrer Schönheit zitiert: „In der Wohnung Miryam van Doren haben sich die künstlerischen Grenzgänger zu unheimlichen Raumagentinnen erweitert.“
Ich erkenne in Jacks Oeuvre eine durational performance, eine andauernde, fortwährende performative Existenz, die verschiedene Artikulationsformen annehmen kann: Text, Film, Performance, stetig collagiert, ineinander gefaltet. Und ich erkenne ihn, Jack, der als Figur in Inszenierungen für andere, immer als Jack durchscheint und eine buchstäblich phänomenale szenische Präsenz entfaltet.
Jack Hauser beschreibt sein Kunstverständnis ungefähr so, von mir nacherzählt: Ein langweiliger Sommerabend, sich freundschaftlich unterhaltend mit denen, die ebenfalls dort sind, seien es Menschen, seien es Dinge, seien es Pflanzen, seien es Artefakte; unzählig sind die Möglichkeiten, in Relation zu sein, und das am besten in Wien. Eine mehrfach wunderbare Situation, in der sich etwas ereignet und dessen Spuren in den Dialogen und Briefwechseln sichtbar werden…
Wien, 22.11.2022
Nicole Haitzinger