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Being Ákos Hargitay

EIN PUBLIKUMSFREUNDLICHER IPHONE-TÄNZER IM WIENER WUK

Von Bettina Hagen

Unter dem Motto „iPerform Music“ hat sich Ákos Hargitay den Großen Saal im Wuk erobert, erfüllt sich damit einen lang gehegten Wunsch. Im Foyer häkelt und bastelt zwar Tomschek schon an den Requisiten zur Miss Happy-Wahl, aber noch gehört der Raum mit seinen Gerüsten und der Bühne dem aus Ungarn stammenden Tänzer und seinen Spielzeugen. Wichtigstes Utensil ist das iPhone, das die Technik liefert, um aus jedem kreativen Menschen einen Soundbastler zu machen, der - wie im vorliegenden Fall - mit dem nötigen Größenwahn auch gleich zu einem Konzert einzuladen vermag. Aber Hargitay kann sich zudem auf seine Qualitäten als Tänzer und Performer verlassen.

 

Dem Publikum wird schon beim Betreten des Saals klargemacht, wie weit sich der Performer erniedrigen würde, um es zu unterhalten. Er liegt nämlich gleich hinter der Türe mit Augenmaske auf dem Boden und jede(r) BesucherIn muss über ihn steigen: eine Art der Begrüßung, die bereits den Einstieg in eine nicht eindimensional zu verstehende Tanzshow vorzeichnet.

 

Der Künstler als Premium reseller

 

Auf die Performance zur Musik muss das Publikum dann folgerichtig noch warten, bis der Tänzer die Bühne gefunden hat. Im Dunkeln - schließlich trägt er eine Augenmaske - ist es ein weiter Weg dahin, aber es gibt ohnehin so Einiges zu besprechen. Es gilt, sich vorzustellen und Raum und Publikum für sich zu gewinnen. Dies geschieht sanft und geschickt, setzt das Feingefühl eines Menschenfreundes und Lehrers voraus. Immer wieder betont Hargitay, dass er kein Schauspieler, sondern Tänzer ist: „I am trained for space-filling.“ Aber noch hat er in diesem Raum die Bühne nicht gefunden, nützt die Zeit, um seine zwei Taschen mit High-tech-fashion-Kostümen ins rechte Licht zu rücken und auf einen weiteren Sponsor, der an der hinteren Wand in Form des Apfel-Logos prangt, hinzuweisen. Der Umstand, dass er es dabei mit einem Premium reseller zu tun hatte, inspirierte ihn dazu, sich selbst als Premium reseller of art für diesen Abend zu definieren.

 

Mit den Mitteln seiner als „BodyParkour“ bezeichneten Technik hebelt Hargitay Tanzstile aus, am Ende gelingt ihm sogar eine Art zukunftsgerichteter Ausdruckstanz mit einem Gerüstturm auf Rädern als Partner. Wie er das Publikum dazu bringt, ihm auch diesen letzten konsequenten Schritt in seiner Performance zwischen trashig-aktionistischer Weihnachts- und Fashionshow, Michael-Jackson-Song-Interpretation in Pop Star-Manier und Kokettieren mit zeitgenössischem und konzeptionellem Tanz, alles mit dem Ziel, Kunst und Unterhaltung zu vereinen, löst vergnügtes Staunen aus. Trotzdem ist es leichter, Hargitays verschlungenen Wegen über die Ebenen der Bühne zu folgen, als alle Wechsel und Winkel in seiner Show mitzubekommen.

 

Kleine Geschwindigkeits- und Konzentrationseinbrüche gibt es nur, wenn er sich ganz seinen technischen Kompositionsgeräten hingibt. Denn dem von ihm selbst zitierten „Being in the moment“ geht dann der Motor, den seine Bühnenpräsenz darstellt, verloren. Dafür hatte er das Publikum, kaum auf der Bühne angelangt, zu sehr verwöhnt: sich sexy beim Aufwärmen in Superman-Unterhose geräkelt und ein Bein in die Höhe geschmissen, danach eine Verletzung vorgetäuscht, um ein paar humpelnde Bewegungen machen zu können und den Satz „it looks like I am doing concept but actually I´ve hurt myself“ loszuwerden und Lacher dafür zu kassieren.

 

Lustige Geräusche mit abgefahrenen Bewegungen

 

Schließlich fügt er noch im herrlichsten ungarischen Akzent den Allgemeinplatz hinzu: „Der Köörper is very important." Irgendwie gelingt es ihm auch, nach weiteren rhythmischen Geräusch- und Kompositionsproduktionen sowie der Demonstration seines technischen Könnens als Parkour Tänzer, sich vom Tanzstar in einen Weihnachtsmann zu verwandeln, indem er sich in ein Santa Claus-Kostüm einfädelt und, angeschlossen an ein iPhone, lustige Geräusche durch abgefahrene Bewegungen erzeugt.

 

Wie schon erwähnt, Hargitay ist Menschen- und Publikumsfreund, lässt dem Publikum Sekt in Pappbechern zukommen, um es für etwaige Tanzeinlagen mit aufziehbaren chinesischen Weihnachtsmännern und anderem Getier gefügig zu machen und dies dann doch wieder abzusagen. Er sichert sich damit aber die Konzentration und gute Laune für die doch sehr eigenwillige Schlussnummer. Hier fährt er dann schwere Geschütze, eine klassische Sehnsuchtsmusik, und Geräte, einen fahrbaren Gerüstturm, auf und schmeißt sich ihnen als zeitgenössische Ausdruckstänzerin in Goldfolie gehüllt entgegen.

 

Am Ende wünscht man sich als Publikum gar, dass etwas von dieser Leichtigkeit, mit der Hargitay die Raumhöhen und die Suche nach dem tieferen Sinn der zeitgenössischen Kunst überwindet, auf einen selbst abgefärbt hat.


(8.12.2009)